Nachdem wir also die Nacht über vor allem anderen Menschen beim Feiern zugehört haben, stand am Mittag der zweite große Auftritt der Castells auf dem Fest an.
Der Festumzug hat dafür eigens ein paar Stunden Pause gemacht und die Stadtreinigung ist noch mal schnell über den Platz gefegt, so dass wir uns auf sauberem Boden aufbauen konnten.
Nachdem ich die Woche zuvor völlig verbrannt und total durchgeschwitzt vom Platz gegangen war, war ich jetzt besser vorbereitet:
Mit Sonnencreme gegen die spanische Mittagssonne und Puder, um die Massen an Schweiß etwas einzudämmen, trotzte ich dann der mediteranen Mittagsonne für mehrere Stunden.
Ehrlich gesagt glaub ich inzwischen, dass man sich nur bedingt daran gewöhnen kann. Auch einige der katalanischen Castellers waren schon völlig verschwitzt, bevor wir uns überhaubt auf den Weg zum Platz gemacht haben.
Anders als am ersten Wochendene konnte man die geplanten Castells nicht frühzeitig in der Smartphone App sehen.
Wahrscheinlich war das Absicht, da der Cap de Colla (der Trainer) entschieden hatte, dass wir mit dem 3de10 (einem Turm mit 10 Stockwerken) starten sollten. Noch nie hat es irgendein Verein geschafft (oder auch nur versucht) einen Turm über mehr als 10 Stockwerke zu bauen. Auch diese Konstruktion klappt äußerst selten. Bislang haben nur drei Vereine diese Konstruktion auf- und unfallfrei wieder abgebaut. Unser Verein hatte das bislang einmal auf dem Stadtfest in Vendrell im Oktober 2016 geschafft.
Der Verein hatte diese Konstruktion den gesamten Sommer über bis zum Erbrechen geübt, dementsprechend waren alle wild darauf das endlich zu zeigen.
Gesagt, getan: wir haben mit dem 3de10 angefangen. Die Bodenkonstruktion, die sogenannte Pinya (Ananas), stand extrem fest und auch die zwei weiteren Etagen darüber (die Folre und die Manilles). Während ich unten in der Pinya stand, konnte ich nicht viel mitbekommen, was über mir passiert. Da die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes recht groß war, war es extrem wichtig, auf keinen Fall nach oben zu gucken. Wenn jemand auf einen fälllt, sollte das immer auf den Rücken und den Hinterkopf sein.
Einzig durch die Ansagen des Trainers und die Musik kann man erahnen, wie es läuft. Ein bisschen merkt man es aber auch, wenn die gesamte Bodenkonstruktion wackelt. Ist das der Fall, wird aber in der Regel schnell abgebrochen und neu angefangen.
Es saß aber alles fest und der Aufbau hat sehr gut geklappt. Leider haben wir beim Abbau das Gleichgewicht verloren und es sind einige ein ganzes Stück gefallen.
Wir haben kein eigenes Video von dem Turm (schließlich waren wir unten drin). Hier ist das Bild des Vereins vor dem Sturz. Von dem Bild aus, kommt man auf ein Video bei Youtube.
Auch wenn der Sturz realtiv wild aussah, gab nur blaue Flecken und Kreislaufprobleme.
Auch wenn der Aufbau des Turms schon eine große Leistung war, so war doch eine gewissen Enttäuschung zu spüren. Immerhin hatte die Konstruktion in den Proben schon mehrmals reibunglos funktioniert.
So unerschrocken die Kiddies, die ganz nach oben klettern, auch sind, so wurden sie doch durch den Sturz etwas eingeschüchtert. Immerhin sind sie aus der Höhe von drei Häusestockwerken gefallen.
Ein Teil der Canalla (so heißen die Kinder im Verein) musste sich also erst mal vom Schreck erholen und wir mussten mal wieder etwas umplanen.
Irgenwie war dann in den nächsten Konstruktionen der Wurm drin. Sowohl die Enttäuschung (auf sehr hohem Niveau) wie auch die Hitze und die blendende Sonne verlangten den Castellers alle vorhandene Kraft ab. Von den nächsten drei Konstruktionen konnten wir nur eine wieder richtig abbauen. Am Ende war es trotzdem der zweitbeste Auftritt des Jahres und wir waren mit Abstand die besten auf dem Platz.
Ich habe also wieder vier Stunden in der sengenden Mittagssonne ohne Schatten auf dem Platz gestanden, nur um mich alle 45 Minuten in eine Menschentraube zu drücken und dadurch noch mehr zu schwitzen. Damit dann ca. 5 Minuten später mir entweder ein Fuß gegen den Kopf stößt oder Menschen über mich klettern. Nach den 4 Stunden war ich mir definitiv nicht mehr sicher ob der Schweiß auf meinem T-Shirt wirklich von mir oder von anderen war.
Warum mir das unheimlich Spaß macht, ist mir auch nicht ganz klar.