Archiv für den Monat: September 2018

Unser zweiter Auftritt des Jahres

Nachdem wir also die Nacht über vor allem anderen Menschen beim Feiern zugehört haben, stand am Mittag der zweite große Auftritt der Castells auf dem Fest an.

Der Festumzug hat dafür eigens ein paar Stunden Pause gemacht und die Stadtreinigung ist noch mal schnell über den Platz gefegt, so dass wir uns auf sauberem Boden aufbauen konnten.

Nachdem ich die Woche zuvor völlig verbrannt und total durchgeschwitzt vom Platz gegangen war, war ich jetzt besser vorbereitet:

Mit Sonnencreme gegen die spanische Mittagssonne und Puder, um die Massen an Schweiß etwas einzudämmen, trotzte ich dann der mediteranen Mittagsonne für mehrere Stunden.

Ehrlich gesagt glaub ich inzwischen, dass man sich nur bedingt daran gewöhnen kann. Auch einige der katalanischen Castellers waren schon völlig verschwitzt, bevor wir uns überhaubt auf den Weg zum Platz gemacht haben.

Anders als am ersten Wochendene konnte man die geplanten Castells nicht frühzeitig in der Smartphone App sehen.

Wahrscheinlich war das Absicht, da der Cap de Colla (der Trainer) entschieden hatte, dass wir mit dem 3de10 (einem Turm mit 10 Stockwerken) starten sollten. Noch nie hat es irgendein Verein geschafft (oder auch nur versucht) einen Turm über mehr als 10 Stockwerke zu bauen. Auch diese Konstruktion klappt äußerst selten. Bislang haben nur drei Vereine diese Konstruktion auf- und unfallfrei wieder abgebaut. Unser Verein hatte das bislang einmal auf dem Stadtfest in Vendrell im Oktober 2016 geschafft.

Der Verein hatte diese Konstruktion den gesamten Sommer über bis zum Erbrechen geübt, dementsprechend waren alle wild darauf das endlich zu zeigen.

Gesagt, getan: wir haben mit dem 3de10 angefangen. Die Bodenkonstruktion, die sogenannte Pinya (Ananas), stand extrem fest und auch die zwei weiteren Etagen darüber (die Folre und die Manilles). Während ich unten in der Pinya stand, konnte ich nicht viel mitbekommen, was über mir passiert. Da die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes recht groß war, war es extrem wichtig, auf keinen Fall nach oben zu gucken. Wenn jemand auf einen fälllt, sollte das immer auf den Rücken und den Hinterkopf sein.

Einzig durch die Ansagen des Trainers und die Musik kann man erahnen, wie es läuft. Ein bisschen merkt man es aber auch, wenn die gesamte Bodenkonstruktion wackelt. Ist das der Fall, wird aber in der Regel schnell abgebrochen und neu angefangen.

Es saß aber alles fest und der Aufbau hat sehr gut geklappt. Leider haben wir beim Abbau das Gleichgewicht verloren und es sind einige ein ganzes Stück gefallen.

Wir haben kein eigenes Video von dem Turm (schließlich waren wir unten drin). Hier ist das Bild des Vereins vor dem Sturz. Von dem Bild aus, kommt man auf ein Video bei Youtube.

Auch wenn der Sturz realtiv wild aussah, gab nur blaue Flecken und Kreislaufprobleme.

Auch wenn der Aufbau des Turms schon eine große Leistung war, so war doch eine gewissen Enttäuschung zu spüren. Immerhin hatte die Konstruktion in den Proben schon mehrmals reibunglos funktioniert.

So unerschrocken die Kiddies, die ganz nach oben klettern, auch sind, so wurden sie doch durch den Sturz etwas eingeschüchtert. Immerhin sind sie aus der Höhe von drei Häusestockwerken gefallen.

Ein Teil der Canalla (so heißen die Kinder im Verein) musste sich also erst mal vom Schreck erholen und wir mussten mal wieder etwas umplanen.

Irgenwie war dann in den nächsten Konstruktionen der Wurm drin. Sowohl die Enttäuschung (auf sehr hohem Niveau) wie auch die Hitze und die blendende Sonne verlangten den Castellers alle vorhandene Kraft ab. Von den nächsten drei Konstruktionen konnten wir nur eine wieder richtig abbauen. Am Ende war es trotzdem der zweitbeste Auftritt des Jahres und wir waren mit Abstand die besten auf dem Platz.

Ich habe also wieder vier Stunden in der sengenden Mittagssonne ohne Schatten auf dem Platz gestanden, nur um mich alle 45 Minuten in eine Menschentraube zu drücken und dadurch noch mehr zu schwitzen. Damit dann ca. 5 Minuten später mir entweder ein Fuß gegen den Kopf stößt oder Menschen über mich klettern. Nach den 4 Stunden war ich mir definitiv nicht mehr sicher ob der Schweiß auf meinem T-Shirt wirklich von mir oder von anderen war.

Warum mir das unheimlich Spaß macht, ist mir auch nicht ganz klar.

Die spinnen die Katalanen!!

Gestern war der eigentliche Feiertag, auf den sich die Stadt Tarragona mit 8 weiteren Tagen voller Feiern vorbereitet hat. Bislang waren die Festaktivitäten „nur“ von 12:00 Mittags bis ca. 4:00 Uhr nachts, aber am 9. Tag ging dann das erst Fest wirklich los.

Im Programm gibt es hierfür eigens einen Teil für die Nacht vom 22. auf den 23. September. 

Dementsprechend war auch viel los in der Stadt. Besonders beeindruckend ist dabei für mich die Stadtreinigung. Während man bei uns noch im Februar Reste vom Silvesterfeuerwerk findet, fährt hier die Standreinigung mehrmals in der Nacht durch die Straßen und macht sauber. Auch wenn die gesamte Nacht ca. 80.000 Menschen durch die Altstadt gezogen sind und getrunken haben, war es morgenes wieder sauber.

Wir hatten eigentlich vorgehabt, früh ins Bett zu gehen, um am nächsten Tag für den Auftritt unserer Castells ausgeschlafen zu sein. Ehrlich gesagt ging das nur sehr bedingt. Bis ca. 6 Uhr früh hat man die Musik und feiernde Menschen, die unter unserem Fenster gegrölt haben, gehört.

Damit aber dann ja keiner um 7 in der Früh zur Ruhe kommen kann, ging es ab 7 Uhr wieder los und die Kapellen der Collas zogen mit ihrer Musik durch jede Straße um alle für die Kirche zu wecken. Für diejenigen, denen ein so tiefer Schlaf oder so schalldichte Fenster gegönnt waren, dass dies an ihnen vorbei ging, wurden dann sehr viele sehr laute Böller gezündet. Für den Fall der Fälle, dass danach immer noch jemand schlafen sollte, wurden dann alle in der Stadt vorhandenen Kirchenglocken für ca. 30 min aktiviert.

Pünktlich ab 9:00 morgen begann dann der Festumzug mit allem was die Stadt an Figuren und Musikern hat.

Dieser Umzug ging dann bis genau 22:30 (mit kleineren Pausen) weiter. Damit es dann aber nicht ruhig wird, gab es noch ein Feuerwerk.

Was mich dabei am meisten überrascht hat, war dass die Menschen selbst um 22:00 noch putzmunter waren und zur Musik durch die Stadt gehüpft sind.

Bis zum letzten Augenblich wurden die Figuren mit Musik durch die Stadt getragen.

Eine Pause im Umzug gab es übrigens von 13:00 bis 16:30 für die Auftritte der Castells. Dazu mehr im nächsten Beitrag.

Unser erster Auftritt des Jahres

 

Am ersten Sonntag des Stadtfestes von Tarragona kommen vier der besten Castells-Vereine zusammen um sich in den Turmbauten zu überbieten. Unser Verein war natürlich dabei!

Aktuell liegt unser Verein knapp auf Platz 2 der Rangliste. Der Auftritt am Sonntag war somit sehr wichtig, um den Platz zu halten, da die Konkurrenten für die Position auch dort waren. Darüber hinaus war es ein Heimspiel. Für Fußballbegeisterte: Stellt euch vor in Dortmund spielen Bayern München, Schalke, Borrussia und Mönchengladbach gegeneinander. Wir wären dann wohl Borrussia und Vilafranca Bayern München. Sie haben unglaublich viel Geld und einen riesen Verein. Valls wäre dann wohl so wie Schalke: die längste Tradition von allen und einen unglaublichen Willen zu gewinnen.Es war also ein sehr wichtiger Tag auf dem Weg zur Weltmeisterschaft.

Je schwerer ein Turm ist, desto mehr Punkte gibt es für das Ranking. Dieses Jahr war Vilafranca bislang nicht so erfolgreich wie sonst und die stetige Verbesserung unsere Aufbaukünste hat früchte getragen.

Unsere Colla war am Anfang echt nervös. Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir dieses Jahr sogar realistische Chancen erster zu werden. Die größte Konstruktion mit 10 Etagen wurde bis zum Abwinken geübt und wir wollten sie nun auch korrekt abbauen, aber ob das klappt?

Andreas‘ und meine Positionen sind ja immer unten in der Pinya (der Grundkonstruktion) und man hat die Nervösität aller an einer Unruhe und Zittern gemerkt. Leider ist es dann auch nicht gut gegangen. Die erste Konstruktion haben wir zwar aufgebaut, dann ist der Turm aber in sich zusammen gefallen. Einer der Castellers der Basis hat einen Kreislaufkollaps bekommen. (Was allein bei den Temperaturen ohne Sport und Streß schon ganz einfach wäre).

Das war für alle ein sehr ärgerliches Erlebnis, da das eigentlich ein Konstruktion zum warm werden war, die der Verein sehr gut kann. Dementsprechend frustriert war die Stimmung danach. Zwar hatten wir einen Großteil der Punkte bekommen, da der Turm erfolgreich aufgebaut worden war. Aber eigentlich könnten wir den Turm auch im Tiefschlaf wieder abbauen können.

Foto von: Jordina Estopà Masdeon de Colla Jove

Wahrscheinlich hat es geholfen zu sehen, dass alle nach uns auch Probleme bei Aufbau der Türme hatten. Valls hat gleich mehrere Anläufe gebraucht um dann trotzdem keinen kompletten Aufbau zu schaffen.

Als nächstes war eigentlich ein Turm mit 10 Stockwerken geplant. Diese Konstruktion konnte der Verein bislang nur einmal korrekt auf und abbauen. Die Coaches haben sich dann spontan entschieden, zu einem etwas einfacheren Turm überzugehen und haben spontan alle 500 Leute umorganisiert. Man merkte, wie stark alle jetzt ein gutes Resultat bekommen wollten. Die Pinya saß so fest, dass ich zwischendurch kaum atmen konnte. Da wackelte kein Haar mehr und war kein Loch zu sehen. Dementsprechend hat die doch sehr langwierige und komplexe Struktur gut geklappt.

Auch die neue Struktur danach hat gut geklappt und die Säule zum Schluss liefen perfekt, während die anderen Vereine doch sehr mit der Hitze gekämpft haben. So hat Valls wirkllich keine einzige Konstruktion auf Anhieb geschafft und zwischendurch wurden die Verletzen reihenweise an mir Vorbei in die Krankenstation im Rathaus getragen. Aber Valls hat sich nicht beirren lassen und es immer wieder probiert und am Ende alle Konstruktionen doch geschafft, so dass sie auch zu Recht weiterhin auf Platz 1 der Weltrangliste stehen.

In Tarragona ist es übrigens üblich, diese Wettbewerbe von 12:00 bis ca. 15:00 Mittags stattfinden zu lassen. Eigentlich war leichter Regen vorhergesagt…. aber stattdessen hat die Sonne gestärkt durch eine kaputten Ozonschicht und unterstützt von der globalen Erwärmung den Rathausplatz in einen Halogenofen verwandelt. … Also es war verdammt heiß und meine blasse mitteleuropäische Haut hat nur ca. 1 Stunde dieser Stärke standgehalten. Wir standen aber ca. 4 Stunden dort und jetzt ist mein Kopf genauso rot wie mein Kopftuch.

Ältere Beiträge zu den Castells:  #sentimjunts – Wir machen Menschenpyramiden bei den Castellers – 1. Teil

Vorbereitung für den Concurs de Castells

Alle zwei Jahre findet in der alten Stierkampfarena in Tarragona die Weltmeisterschaft der Castells statt. Über viele Stunden bauen die besten Collas de Castells (Vereine) die riesigen und komplexen Strukturen auf.

Teil einer Basis für einen Turm von 10 Etagen.

 

Dieses Jahr sind wir extra für diesen Concurs de Castells nach Tarragona geflogen, um unseren Verein die Colla Jove bei dem Wettbewerb zu begleiten.

Mit vier Wochen Vorlauf wollen wir an den Proben und drei weiteren Auftritten in Tarragona teilnehmen.

Seit kurzem werden die Collas (Vereine) mit Apps organisiert. Jeder Casteller bekommt ein eigenes Konto und kann in der App sehen an welcher Stelle er in der Strutkur auftaucht. Die Caps de Pinyas, welche die Bodenstrukturen der Castells organisieren weisen in jedem Training und bei jedem Auftritt fast jedem Teilnehmer den passenden Platz in der Sturktur zu. Diesen muss man dann nur noch finden, was bei 500 Vereinsmitgliedern gar nicht so einfach ist.,

Kurz bevor die Basis gebaut wird, sieht man jetzt also ganz viele Menschen, die auf ihr Smartphone starren und um sich herum gucken und andere nach ihren Namen fragen. Kaum einer kennt wirklich alle Mitglieder des Vereins und weíß sofort, wo er hin muss.

Trotzdem klappt das natürlich viel besser, als die letzten Jahre, wo man sich quasi die Aushänge merken musste.

Am 15.09., nach zwei Trainingseinheiten, waren wir dann auch gleich bei einem Auftritt auf dem Rathausplatz von Tarragona dabei.

 

Dazu mehr im nächsten Blogbeitrag: Unser erster Auftritt des Jahres

Ältere zu den Castells:  #sentimjunts – Wir machen Menschenpyramiden bei den Castellers – 1. Teil