Alle Beiträge von Anke Verena Meyer-Heß

Check-In

Am Securitycheck für die Gates D1-10 hatte sich vor ein paar Stunden jemand übergeben. Zwar hatte das Reinigungspersonal alles Sichtbare entfernt, aber der beißend-saure Geruch hing noch immer in der Luft als wir dort ankamen. Während wir versuchten sämtliche Elektronik aus unserem Handgepäck in verschiedene Plastikbehälter zu packen ohne uns durch den Geruch angestachelt ebenfalls zu übergeben, ermahnte uns die Stimme von Bruce Willis in regelmäßigen Abständen unser Gepäck zu keinem Zeitpunkt aus den Augen zu lassen. Ein Unterfangen das Angesichts der zehn befüllten Plastikkisten ans Unmögliche grenzte.

Eine der zahlreichen Dutyfree-Parfümerien hatte das gesamte Personal mit kleine parfümierten Teststreifen ausgestattet, damit diese die restlichen Stunden ihrer Schicht ohne Zwischenfall durchleben konnten.

Wahrscheinlich hatte die Buchauswahl am einzigen  Zeitschriften Kiosk zwischen Kontrolle und Gate, bei einem Passagier die Flugangst und damit den Brechreiz erst ausgelöst. Neben zwei Liebesromanen waren dort ausschließlich Katastrophenromane insbesondere von Flugzeugabstürzen zu finden.

Die perfekte Organisation der japanischen Fluglinie ließ ab dem Ankommen am Gate allerdings keinen Zweifel mehr offen, dass irgendetwas schief gehen könnte. Mit äußerster Freundlichkeit wurden wir ordentlich und diszipliniert ins Flugzeug geleitet.

P.S.: Eine Checkliste mit 40 Positionen und eine Packliste mit 80 Objekten haben uns übrigens nicht daran gehindert, die japanischen Zugtickets zu Hause zu vergessen. Schaut die nächsten Tage mal rein ob und wie wir es noch bekommen, oder ob wir tatsächlich noch mal 1000 Euro für neue Zugtickets ausgeben müssen.

Reisevorbereitungen – Packtaschen

Wie in der letzten Podcast-Folge erzählt haben wir auf den letzten Dienstreisen das Pack-System getestet.

Die Kleidung wird immer pro Wochentag in Taschen gepackt, so dass man immer nur eine aus dem Rucksack ziehen muss und nicht lange rumwühlt. Damit ich weiß, welche Tasche ich gerade brauche, habe ich sie mit verschiedenen laminierten Anhänger versehen, die immer den geplanten Wochentag angeben.

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1 Tag vor dem Concurs

Morgen um 10 Uhr geht es endlich los. Heute hat ein Teil von uns sich noch etwas warm gemacht und die Castellers of London beim Auftritt auf der Diada Internacional unterstützt. Dazu später mehr.

Danach beganngen die letzten Vorbereitungen für morgen. Bevor der eigentliche Wettbewerb beginnt, gibt es um 9:00 noch einen Umzug durch die Stadt um alle zu wecken. Damit es pünklich beginnen kann müssen wir dann um 8:15 da sein. Der Wettbewerb geht von 10:00 bis ca. 15:30. Wir sind also insgesamt 8 Stunden mit allem beschäftigt. Eigentlich ein normaler Arbeitstag, aber ohne richtige Pausen oder Mittagsessen. 

Die Instruktionen für morgen lauten also, möglichst viel zum Frühstück zu essen und sich Nüsse oder Ähnliches mitzunehmen.

Anbei unser Concurs-Survival-Paket: Nüsse, Smoothie, eine Faixa, ein Tuch für den Kopf und eine Powerbank fürs Handy:

2 Tage vor dem Concurs und der Turmbau zu Babel

 

Zwei Tage vor dem Concurs de Castells sind unsere Erkältungen ziemlich abgeklungen und die Vorbereitungen für den großen Tag laufen. 

Passend zur Farbe unseres Vereins habe ich das schicke Grau meiner Haare mit Lila Haarfarbe überdeckt.

Dazu passend habe ich in einem Laden neben unserem Vereinshaus traditionell handgemachte katalanische Espardenyas (Schuhe aus Espartogras) gekauft:

Die Schuhe werden vor allem zum Tanzen und für traditionelle Umzüge in Katalonien angezogen. Aber auch bei den Castellers sind sie sehr beliebt. Die Schuhe eigenen sich recht gut zum Stehen. Da so ein Auftritt des Vereins in der Regel mit ca. 3-5 Stunden Stehen einhergeht, passt das ja ganz gut.

Am Tag vor dem Concurs ist in Tarragona noch die Diada Internacional, zu der Vereine aus der ganzen Welt anreisen. Bei uns im Haus waren die Castellers of London abgestiegen und Andreas und ich haben uns spontan entschieden gleich auch noch zu dem Training der Briten in unserem Vereinshaus zu gehen. 

Das Training der Briten hat sich inhaltlich nicht stark von unserem unterschieden, aber ein paar Dinge waren doch sehr besonders. Im Verein sind Menschen aus allen möglichen Ländern. In der kurzen Zeit hatte ich welche aus Frankreich, Katalonien, England, Deutschland und Litauen getroffen. Die Umgangsprache des Vereins ist eine Mischung aus Englisch, Spanisch und Katalanisch. So läuft das Training zwar auf Englisch ab, aber ein Teil der katalanischen Fachbegriffe wird einfach übernommen. Das Resultat ist ein wahrer Babylonischer Turmbau.

Wenn man die Basis baut, werden alle der Größe nach aufgestellt. In der Regel bin ich unter den Katalanen so mittelgroß und meistens zwischen Männern um die 50 und größeren Frauen. Ein großer Teil des Londoner Vereins war dagegen mindestens 2 Köpfe größer als ich. Bei vielen Türmen war ich dann plötzlich ein richtiger Lückenfüller und stand unter den Armen verdeckt direkt am Zentrum des Turms, um ihn zu stabilisieren. Das ist wirklich sehr gewöhnungsbedürftig. Man sieht wirklich gar nichts mehr und der Kopf hängt quasi in den Achselhölen der beiden Nachbarn. Durch eine kleine Vergleichsstudie kann ich jetzt sagen, dass es in Spanien besser riechendes Waschmittel gibt und dort wohl auch besser funktionierende Deos verkauft werden.

Wieviel Menschen passen eigentlich auf 350m²?

Es ist schon fast zur Routine geworden, morgens aufzustehen, sich die Kleidung für den Auftritt anzuziehen und die paar hundert Meter die Altstadtstraßen runter zum Vereinsheim zu gehen.

Unsere Canalla (die Kinder im Verein) hatte sich wohl erfolgreich vom letzten Auftritt erholt und kletterte schon wieder auf alles was es so gab.

Am 24.09 war also gleich die nächste Diada zum Festtag der Mercé. Traditionell werden an dem Tag auf dem Placa del Cols in Tarragona Castells aufgebaut. Ein Platz den ich lange nicht als Platz sonder eher als etwas vergrößerte Kreuzug in der nähe der Kathedrale wahrgenommen hatte. Wie zum Teufel 1500 Menschen auf diesen Platz von ca. 350m² gehen können war mir vorher nicht klar.

Als wir mit dem Verein die Hauptstraße hoch gegangen sind und auf den Platz kamen, war diese schon bis oben mit Menschen gefüllt. Jetzt sollte unser Verein mit Band und ca. 400 Menschen noch rein und zwei weitere Vereine in ähnlicher Anzahl auch noch. Langsam und stetig ging es vorwärts. Die Treppen vor der Kathedrale hatten sich in eine Art Tribüne verwandelt auf der ebenfals schon ca. 400 Menschen saßen.

Das für mein Gefühl völlig Unmögliche ging dann sogar ohne Geschiebe. Der Platz von ca. 350m² hat sich mit ca. 1500 Menschen gefüllt.

In der Reihenfolge der Vereinsgründung wurden dann Castells aufgebaut. Die Castells waren dabei nicht ganz so hoch wie am Tag davor. Das lag aber vor allem daran, dass der Platz nicht nur sehr klein sondern auch noch schief ist.

Jedes Castell wurde vor dem Supermarkt an der Ecke aufgebaut. So dass sich für jede Konstruktion der gesamte Verein mit ca. 400 Menschen zu dieser Ecke bewegen musste.

Foto aus dem Twitter Feed der Colla Jove

Der eigentliche Wahnsinn ging aber erst danach los.

Jeder Verein wollte mit einem Turm von 4 Menschen übereinander die Treppe zur Kathedrale hoch laufen, dort umdrehen und dann mit der Konstruktion bis zum Rathausplatz runter gehen. Eine Strecke, die schon ganz alleine durch das Kopfsteinpflaster und die vielen unregelmäßigen Stufen eine große Herausforderung ist.

Jetzt sollte das als Turm und durch diese Menschenmassen gehen.

Bei diesem Laufen wird dann die Zeit gestoppt und der Verein, der am schnellsten ankommt gewinnt. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte ich das ganze für ein völlig umögliches Unterfangen gehalten.

 

Foto vom Twitter Account der Colla Jove

Tatsächlich war unser Verein dabei so schnell, dass Andreas und ich dem ganzen nicht folgende konnten.

Mit dieser Konstruktion sind unsere Castellers in 7 Minuten bis zum Rathaus gekommen. Wir selber haben mindestens 10 Minuten gebraucht.

Hier kann man es noch mal als Video sehen:

Unser zweiter Auftritt des Jahres

Nachdem wir also die Nacht über vor allem anderen Menschen beim Feiern zugehört haben, stand am Mittag der zweite große Auftritt der Castells auf dem Fest an.

Der Festumzug hat dafür eigens ein paar Stunden Pause gemacht und die Stadtreinigung ist noch mal schnell über den Platz gefegt, so dass wir uns auf sauberem Boden aufbauen konnten.

Nachdem ich die Woche zuvor völlig verbrannt und total durchgeschwitzt vom Platz gegangen war, war ich jetzt besser vorbereitet:

Mit Sonnencreme gegen die spanische Mittagssonne und Puder, um die Massen an Schweiß etwas einzudämmen, trotzte ich dann der mediteranen Mittagsonne für mehrere Stunden.

Ehrlich gesagt glaub ich inzwischen, dass man sich nur bedingt daran gewöhnen kann. Auch einige der katalanischen Castellers waren schon völlig verschwitzt, bevor wir uns überhaubt auf den Weg zum Platz gemacht haben.

Anders als am ersten Wochendene konnte man die geplanten Castells nicht frühzeitig in der Smartphone App sehen.

Wahrscheinlich war das Absicht, da der Cap de Colla (der Trainer) entschieden hatte, dass wir mit dem 3de10 (einem Turm mit 10 Stockwerken) starten sollten. Noch nie hat es irgendein Verein geschafft (oder auch nur versucht) einen Turm über mehr als 10 Stockwerke zu bauen. Auch diese Konstruktion klappt äußerst selten. Bislang haben nur drei Vereine diese Konstruktion auf- und unfallfrei wieder abgebaut. Unser Verein hatte das bislang einmal auf dem Stadtfest in Vendrell im Oktober 2016 geschafft.

Der Verein hatte diese Konstruktion den gesamten Sommer über bis zum Erbrechen geübt, dementsprechend waren alle wild darauf das endlich zu zeigen.

Gesagt, getan: wir haben mit dem 3de10 angefangen. Die Bodenkonstruktion, die sogenannte Pinya (Ananas), stand extrem fest und auch die zwei weiteren Etagen darüber (die Folre und die Manilles). Während ich unten in der Pinya stand, konnte ich nicht viel mitbekommen, was über mir passiert. Da die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes recht groß war, war es extrem wichtig, auf keinen Fall nach oben zu gucken. Wenn jemand auf einen fälllt, sollte das immer auf den Rücken und den Hinterkopf sein.

Einzig durch die Ansagen des Trainers und die Musik kann man erahnen, wie es läuft. Ein bisschen merkt man es aber auch, wenn die gesamte Bodenkonstruktion wackelt. Ist das der Fall, wird aber in der Regel schnell abgebrochen und neu angefangen.

Es saß aber alles fest und der Aufbau hat sehr gut geklappt. Leider haben wir beim Abbau das Gleichgewicht verloren und es sind einige ein ganzes Stück gefallen.

Wir haben kein eigenes Video von dem Turm (schließlich waren wir unten drin). Hier ist das Bild des Vereins vor dem Sturz. Von dem Bild aus, kommt man auf ein Video bei Youtube.

Auch wenn der Sturz realtiv wild aussah, gab nur blaue Flecken und Kreislaufprobleme.

Auch wenn der Aufbau des Turms schon eine große Leistung war, so war doch eine gewissen Enttäuschung zu spüren. Immerhin hatte die Konstruktion in den Proben schon mehrmals reibunglos funktioniert.

So unerschrocken die Kiddies, die ganz nach oben klettern, auch sind, so wurden sie doch durch den Sturz etwas eingeschüchtert. Immerhin sind sie aus der Höhe von drei Häusestockwerken gefallen.

Ein Teil der Canalla (so heißen die Kinder im Verein) musste sich also erst mal vom Schreck erholen und wir mussten mal wieder etwas umplanen.

Irgenwie war dann in den nächsten Konstruktionen der Wurm drin. Sowohl die Enttäuschung (auf sehr hohem Niveau) wie auch die Hitze und die blendende Sonne verlangten den Castellers alle vorhandene Kraft ab. Von den nächsten drei Konstruktionen konnten wir nur eine wieder richtig abbauen. Am Ende war es trotzdem der zweitbeste Auftritt des Jahres und wir waren mit Abstand die besten auf dem Platz.

Ich habe also wieder vier Stunden in der sengenden Mittagssonne ohne Schatten auf dem Platz gestanden, nur um mich alle 45 Minuten in eine Menschentraube zu drücken und dadurch noch mehr zu schwitzen. Damit dann ca. 5 Minuten später mir entweder ein Fuß gegen den Kopf stößt oder Menschen über mich klettern. Nach den 4 Stunden war ich mir definitiv nicht mehr sicher ob der Schweiß auf meinem T-Shirt wirklich von mir oder von anderen war.

Warum mir das unheimlich Spaß macht, ist mir auch nicht ganz klar.

Die spinnen die Katalanen!!

Gestern war der eigentliche Feiertag, auf den sich die Stadt Tarragona mit 8 weiteren Tagen voller Feiern vorbereitet hat. Bislang waren die Festaktivitäten „nur“ von 12:00 Mittags bis ca. 4:00 Uhr nachts, aber am 9. Tag ging dann das erst Fest wirklich los.

Im Programm gibt es hierfür eigens einen Teil für die Nacht vom 22. auf den 23. September. 

Dementsprechend war auch viel los in der Stadt. Besonders beeindruckend ist dabei für mich die Stadtreinigung. Während man bei uns noch im Februar Reste vom Silvesterfeuerwerk findet, fährt hier die Standreinigung mehrmals in der Nacht durch die Straßen und macht sauber. Auch wenn die gesamte Nacht ca. 80.000 Menschen durch die Altstadt gezogen sind und getrunken haben, war es morgenes wieder sauber.

Wir hatten eigentlich vorgehabt, früh ins Bett zu gehen, um am nächsten Tag für den Auftritt unserer Castells ausgeschlafen zu sein. Ehrlich gesagt ging das nur sehr bedingt. Bis ca. 6 Uhr früh hat man die Musik und feiernde Menschen, die unter unserem Fenster gegrölt haben, gehört.

Damit aber dann ja keiner um 7 in der Früh zur Ruhe kommen kann, ging es ab 7 Uhr wieder los und die Kapellen der Collas zogen mit ihrer Musik durch jede Straße um alle für die Kirche zu wecken. Für diejenigen, denen ein so tiefer Schlaf oder so schalldichte Fenster gegönnt waren, dass dies an ihnen vorbei ging, wurden dann sehr viele sehr laute Böller gezündet. Für den Fall der Fälle, dass danach immer noch jemand schlafen sollte, wurden dann alle in der Stadt vorhandenen Kirchenglocken für ca. 30 min aktiviert.

Pünktlich ab 9:00 morgen begann dann der Festumzug mit allem was die Stadt an Figuren und Musikern hat.

Dieser Umzug ging dann bis genau 22:30 (mit kleineren Pausen) weiter. Damit es dann aber nicht ruhig wird, gab es noch ein Feuerwerk.

Was mich dabei am meisten überrascht hat, war dass die Menschen selbst um 22:00 noch putzmunter waren und zur Musik durch die Stadt gehüpft sind.

Bis zum letzten Augenblich wurden die Figuren mit Musik durch die Stadt getragen.

Eine Pause im Umzug gab es übrigens von 13:00 bis 16:30 für die Auftritte der Castells. Dazu mehr im nächsten Beitrag.