Archiv der Kategorie: Szenen aus dem Leben

Ronda

Neben all der Politik gibt es in Spanien natürlich immer noch viele unglaublich schöne Ort zu sehen. Einer davon ist Ronda in Andalusien. Die Stadt Ronda wurde von den Mauren auf einem steil aufragenden Felsen an der Schlucht El Tajo de Ronda des Flusses Guadalevin erbaut.

Ronda – Panorama
Ronda – Panorama

Drei Brücken überspannen den Fluss. Die älteste ist die von den Mauren erbaute „Arabische Brücke“. Ebenfalls ursprünglich von den Mauren erbaut, dann während der Reconquista zerstört und von den Spanien wiedererrichtet ist die höher gelegene „Alte Brücke“.

Alte Brücke
Alte Brücke (von der Arabischen Brücke aus betrachtet)

Die Spanier gründeten auf der anderen Seite der Schlucht einen neuen Stadtteil, das Marktviertel „El Mercadillo“. Im 18. Jhd. wurde die spektakulärste der drei Brücken erbaut, die Neue Brücke, die die Schlucht am höchsten Punkt überspannt.

Neue Brücke in Ronda
Neue Brücke in Ronda

In der sehenswerten Altstadt befindet sich am Rathausplatz die Kirche Santa Maria la Mayor.

Santa Maria la Mayor
Santa Maria la Mayor

Überwiegend wird die Altstadt von engen Gassen geprägt, die sich nur manchmal zu kleineren Plätzen weiten, wie hier an der Kirche Nuestra Señora de la Paz.

Iglesia de Nuestra Señora de la Paz
Iglesia de Nuestra Señora de la Paz

Warum man Ronda auch zu den typischen weißen Dörfern Andalusiens zählen kann, erkennt man bei einem Rundgang sehr schnell. Ein Blick über die Schlucht von der Altstadt ins Marktviertel beweist das.

Blick über die Schlucht
Blick über die Schlucht

Ronda muss man allein schon wegen der spektakulären Schlucht unbedingt gesehen haben! Da die Stadt nicht sehr groß ist, bietet sich an, sie als Tagesausflug zu besuchen, wenn man zum Beispiel in Granada oder Malaga übernachtet. Wir hatten sie als Station mit zwei Übernachtungen auf dem Weg nach Gibralter eingeplant. Wenn man länger bleibt, kann man Wanderungen oder Pferdetouren ins Umland unternehmen oder das Stadtmuseum besuchen. Mutige können – natürlich nur gesichert – die Schlucht mit einer Seilrutsche überwinden oder über in den Fels montierte eiserne Leitern erklimmen.

Castells an Santa Tecla oder: Alles ist politisch

Zu Santa Tecla, am 23. September, zeigen die vier Collas der Stadt tradionell grandiose Castells. Für die Kenner:

  • Castellers de Sant Pere i Sant Pau: 3de8, 2de7, 4de8, Pde7f
  • Colla Jove Xiquets de Tarragona: 5de9f, 3de9fa(c), 2de9fm, Pde8fm
  • Xiquets de Tarragona: 4de8a, 3de9f, 4de9f(c), (i)Pde8fm
  • Xiquets del Serrallo: 5de7, 4de7a, 3de7a

Doch natürlich ging dieses Jahr, eine Woche und einen Tag vor dem geplanten Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, nichts ohne Politik.

Nach dem Singen der Nationalhymne Els Segadors rief die Menge „Votarem“ (Wir werden wählen!) und „Independència“ (Unabhängigkeit), aber erstmals auch „Ballesteros dimissió!“ (Ballesteros Rücktritt!). Letzteres bedarf einer Erklärung. Josep Fèlix Ballesteros i Casanova ist der Bürgermeister (Alcalde) der Stadt Tarragona. Er ist Mitglied der Sozialisten (PSC, die katalanische Schwesterpartei der spanischen PSOE) und möchte die öffentlichen Gebäude der Stadt nicht als Wahllokale für das Referendum zur Verfügung stellen. Der Bürgermeister musste nicht nur das aushalten, sondern auch, dass vom Dach des Rathauses ein Transparent mit der Aufschrift „A Tarragona votarem“ (In Tarragona werden wir wählen.) aufhängt und von seinem eigenen Balkon eine „Democràcia“-Flagge gezeigt wurde.

A Tarragona votarem
A Tarragona votarem

Doch wofür steht Ballesteros? In einem Fernsehinterview mit dem Lokalsender TAC12 bezeichnete Ballesteros das Referendum als illegal, brachte aber den Begriff des runden Tisches ins Spiel. Einen runden Tisch kennt man ja aus Deutschland, dort stand er kurz vor dem Ende der DDR.

Aber wie ernst kann man dies nehmen? In Spanien regiert die PP von Mariano Rajoy in einer Koalition mit den Ciutadanos, ist aber dennoch in einer Minderheitsregierung, die auf die Tolerierung durch die PSOE angewiesen ist. Da sich gezeigt hat, dass ein Dialog zwischen Rajoy und den Katalanen nicht möglich ist, müsste die PSOE auf die Einladung eingehen, die die linke Podemos zusammen mit anderen Parteien in der „Deklaration von Zaragoza“ (die La Vanguardia berichtete am 25. September) ausgesprochen hat, die Rajoy-Regierung zu stürzen um einen Dialog mit Katalonien zu suchen. Desgleichen scheint aber nicht zu passieren.

Neben der Politik interessierten uns natürlich vor allem die Castells der Colla Jove Xiquets de Tarragona, die in der ersten Runde ein 5de9f zeigten.

CJXT 5d9f
CJXT 5de9f

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Diada Nacional 2017

Jedes Jahr wird am 11. September in Katalonien der Nationalfeiertag begangen. Neben den zentralen Feierlichkeiten in Barcelona finden auch in vielen anderen Städten kulturelle Veranstaltungen statt, so auch in Tarragona, wo auch dieses Jahr wieder vor der Kathedrale die traditionellen Castells gezeigt wurden.

Castell der Colla Jove Xiquets de Tarragona
Castell der Colla Jove Xiquets de Tarragona

Doch natürlich steht auch dieses Jahr wieder die Politik im Vordergrund. Nach Angaben der Polizei von Barcelona waren es etwa eine Million Menschen, die an der zentralen Demonstration teilnahmen, auch die Tagesschau berichtete. Beim Spiegel dagegen lässt man sich schon mal dazu herab, ungeprüft die Angaben der spanischen Zentralregierung abzuschreiben, die von nur 350.000 Teilnehmern sprachen. Dass diese geringere Zahl aber nicht plausibel ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass die Veranstalter auch diesmal wieder ein System von Voranmeldungen zur besseren Verteilung der Demonstranten über die Abschnitte eingeführt haben, dort 450.000 Anmeldungen vorlagen und auch schon in den vergangenen Jahren die Zahl der Demonstranten die der Anmeldungen deutlich überstieg.

Von den deutschern Medien – bis auf die Zeit, die den Vorfall in einem analytischen Artikel über die Sitation in Katalonien erwähnt – unbemerkt wurde bereits zwei Tage vorher von der Guardia Civil das Büro einer lokalen Zeitung durchsucht, unter dem Vorwand, es könnten sich dort Unterlagen für die von der katalanischen Regionalregierung einseitig angesetzten Volksabstimmung für die Unabhängigkeit am 1. Oktober befinden.

Überhaupt scheint man in Spanien nicht nur vor einer Unabhängigkeit, sondern schon vor dem Referendum an sich, das natürlich für illegal erklärt wurde, große Angst zu haben. Nur so ist es zu erklären, dass die spanische Regierung bekanntgibt, man könnte innerhalb von 24 Stunden 4000 Nationalpolizisten nach Katalonien schicken, um das Referendum zu verhindern. Die eigentliche Polizeiarbeit, zum Beispiel das Überprüfen von verdächtigen Fahrzeugen vor der Kathedrale Sagrada Familia in Barcelona, überlässt man da lieber der katalanischen Polizei Mossos d’Esquadra. Glücklicherweise war es gestern Abend nur ein Fehlalarm. Obwohl sie, wie sich gestern gezeigt hat, anderswo dringend gebraucht werden, wurden die Mossos von spanischer Seite angewiesen, die Urnen für das Referendum zu beschlagnahmen. Sollte das alles nichts helfen, droht man schon mal damit, man könnte auch binnen nur 5 Tagen die Autonomie Kataloniens komplett aussetzen.

Trotz allem gibt es sogar in Madrid Menschen, die zumindest die Abstimmung als solche befürworten. So sollte ursprünglich am kommenden Sonntag eine Demonstration unter dem Motto „Madrid für das Recht zu entscheiden“ stattfinden, die – natürlich – kurzerhand verboten wurde. Aktuelle Meldungen sprechen allerdings davon, dass dieses Verbot wohl noch gekippt wird.

Abschließend bleibt aus deutscher Perspektive zu sagen, dass es schade ist, dass viele deutsche Medien ausschließlich oder hauptsächlich Korrespondenten in Madrid haben. Die spanischen Medien scheinen stark politisch gefärbt zu sein. Die bekannte El Pais schreibt auch schon mal ausgemachten Blödsinn, zum Beispiel dass der katalanische Regierungschef Puigdemont ein Referndum ohne Wahlkabinen plane und es somit keine Garantie für freie Wahlen gäbe. Natürlich haben auch die katalanischen Medien wie das hier von mir zitierte katalanische Fernsehen eine politische Ausrichtung, aber in der deutschen Wahrnehmung scheinen sie im Vergleich zur Perspektive Madrids deutlich unterrepräsentiert zu sein.

Andorra

Der Weg in unserem Urlaub führte uns diesmal über ein exotisches Land außerhalb der EU: Andorra!

(Aktualisiert am 8.10.: Mehr Bilder hinzugefügt.)

Ein Großteil der Hauptstadt Andorra la Vella ist mit Geschäften und Einkaufszentren belegt. Die niedrigen Steuern machen Luxusartikel und Alkohol billig, wegen der Bedeutung von Andorra als Wintersport-Gebiet gibt es auch jede Menge Sportgeschäfte. Die historische Altstadt aber bildet einen Gegenpol zum hektischen Treiben in der Einkaufsmeile. Hier liegen Sehenswürdigkeiten wie das Casa de la Vall, der frühere Sitz des andorranischen Parlaments, …

Casa de la Vall
Casa de la Vall

…, das neue Parlament, …

Parlament von Andorra
Parlament von Andorra

… und die Nationalbibliothek.

Biblioteca Nacional d'Andorra
Biblioteca Nacional d’Andorra

Den Weg in die Hauptstadt Andorra la Vella legten wir teilweise zu Fuß zurück, die zwei kurzen Wanderungen haben wir getrackt. Der erste Abschnitt führt über den „Cami del Gall“ von el Tarter nach Canillo, …

Cami del Gall
Cami del Gall
Sant Joan de Caselles
Sant Joan de Caselles

… der zweite von Canillo über den Wallfahrtsort Meritxell nach Encamp.

Wegen des Nationalfeiertags von Andorra, der Diada de Meritxell am 8. September, war ein Teil der Hauptstraße zwischen Meritxell und Encamp abgesperrt.

Santuario de Meritxell
Santuario de Meritxell
Madonna von Meritxell
Madonna von Meritxell

Für unsere Wanderung sperrten freundliche andorranische Polizisten in prächtiger Feiertagsuniform auch noch die restliche Straße, damit wir bequem auf den Fußweg auf der anderen Straßenseite wechseln konnten.

Der Weiterlesen-Link deckt die Karten bei Outdooractive auf.

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Mit dem *neuen* E-Bike nach Furtwangen

tl;dr: Zuerst schreibe ich ein wenig über mein neues E-Bike und danach stelle ich noch Tourenvorschläge um Furtwangen vor.

Nach vielen Fahrten mit meinem E-Bike in und um Furtwangen und – zwecks Fahrradtransport – von und zu den Bahnhöfen um Furtwangen hat sich leider herausgestellt, dass mein Pedelec, welches eher unter der Klasse „City-Bike“ verkauft wird, nicht schwarzwaldfest ist, sobald man die geteerten Straßen verlässt und über Waldwege unterwegs ist. Es kam also wie es kommen musste: Bei der Abfahrt über einen Schotterweg im Wald – der in diversen Karten als offizieller Radweg gekennzeichnet ist (!) – kam das Hinterrad bei etwas höherer Geschwindigkeit ungünstig gegen einen Stein, was hernach zu einem Platten und einem Achter führte. Da ich ja zudem, wie man so sagt, multilokal wohne, war der Plan klar: Das alte Rad sollte repariert werden und als Stadtfahrrad nach Frankfurt kommen und für Furtwangen musste ein neues Rad her. Ein reinrassiges E-Mountainbike wäre für Ausfahrten im Wald zwar am besten geeignet gewesen, war für mich aber mangels Licht und Gepäckträger nicht praxistauglich. Also war das, was ich wollte, ein Trekking-Rad. Außer breiteren Reifen sollte es noch ein stärkerer Motor sein. Da eine normale Nabenschaltung die kombinierte Kraft des Radfahrers und stärkeren Motors nicht mehr vernünftig übertragen kann, kommt dann nur eine Kettenschaltung, ein stufenloses Getriebe oder eine Rohloff Speedhub in Frage. Mein Wahl fiel letzlich auf das Charger GT nuvinci von Riese & Müller.

Riese & Müller Charger GT
Riese & Müller Charger GT

Das Charger wird auch als schnelles Pedelec in einer 45 km/h-Version angeboten, aber aus den bekannten Gründen sollte es wieder ein 25 km/h-E-Bike sein. Das Charger kommt mit dem Mittelmotor Bosch Performance CX. Am Berg soll Berichten nach die NuVinci®-Schaltung zwar wegen eines leicht schlechteren Wirkungsgrads und weniger weitem Übersetzungsbereich im Nachteil sein, allerdings ist der Komfort der Stufenlosigkeit nicht zu unterschätzen, ebensowenig die Tatsache, dass man die Schaltung sowohl belastet als auch unbelastet schalten kann. In Verbindung mit dem stärkeren Motor führt der geringere Wirkungsgrad zu etwas geringerer Akkulaufzeit, weswegen der größere 500 Wh-Akku angezeigt ist.

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Über das Abnehmen (2) – Essensgewohnheiten ändern

Also meine Blutwerte zeigten Mangelerscheinungen, während mein Bauch, mein Kinn und meine Leber zu viel Fett trugen. Und dann hatte ich es wirklich leid, ständig über meinen Reproduktionsstatus Auskunft geben zu müssen.

Google hatte wohl gemerkt, dass ich unzufrieden war mit meinem Gewicht und zeigte mir regelmäßig Anzeigen für diverse Gewichtsprogramme. Die von Weightwatchers fand ich da am anspruchsvollsten und lud mir die App herunter. Das Abo für enorme 39,90  Euro war ja schließlich auch erst nach 3 Monaten kostenpflichtig. Was mich überzeugt hat, war der Ansatz, dass ich essen konnte was ich wollte und es so eine Art Punkte Budget gab, was ich ausgeben konnte für Essen. Am besten fand ich allerdings, dass Obst und Gemüse 0 Punkte hatte, also quasi kostenlos war und ich davon so viel Essen konnte wie ich wollte. Sollte mich also mal der Hunger packen, konnte ich mir den Magen immer noch mit Karotten voll schlagen. Hat das schon mal jemand probiert? Ich schon! Es dauert ewig… also eigentlich war ich immer müde vom kauen, bevor ich das Gefühl hatte, mein Magen sei endlich richtig voll.

Gleichzeitig habe ich mir so eine Körperwaage gekauft, die anzeigt wieviel Fett man im Körper hat und los ging es. Den Tag über habe ich eigentlich alles gegessen was so in den Weg kam bis meine Punkte alle waren und dann gab es abends nur noch Rohkost mit Dip. Das ist eigentlich ein sehr einfaches Essen… einfach Gemüse in Portionshäppchen schneiden und vor dem Fernseher essen.

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Über das Abnehmen (1)- wie es Anfing

Während mein Mann über den Aufbau von Datenbanken referiert schreibe ich einen Artikel über Gewichtsabnahme, na wenn das nicht in die Gender-Klichee-Kiste passt.

In den nächsten Artikeln möchte ich zwar erklären, wie ich 20kg ziemlich einfach zunehmen und 15 kg wieder ziemlich einfach abnehmen konnte, aber auch verdeutlichen warum das eigentlich total unwichtig sein sollte!

Als Kind hielt ich Essen für eine Zeitverschwendung, die mich von wichtigen Dingen wie Spielen und Fernsehen abhielt. Ein wirkliches Hungergefühl habe ich zum ersten Mal mit 14 verspürt. Appetit hatte ich bis dahin ausschließlich auf folgende Dinge: Krabbencocktail, Milchschnitte, Toast mit Honig, französische Ringsalami und Bifi. Alles Andere habe ich nach langem Zureden manchmal wiederwillig gegessen, aber nur so viel bis Ruhe war. So war ich bis zur Pubertät unterernährt und auch dann noch lange ziemlich dünn.

Ich mit 4 Jahren

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Mit dem Zug zum Montserrat

Unser letzter Urlaub in Katalonien ist jetzt schon über sieben Monate her, der nächste liegt noch vier Monate in der Zukunft. Also eine Zeit, um ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen und gleichzeitig Zeit für Vorfreude.

Einer unserer Ausflüge führte uns letzten September mit der Bahn zum heiligen Berg der Katalanen, dem Montserrat. Ausgangspunkt der Reise war Tarragona, nur echt mit Kathedrale, …

Kathedrale von Tarragona
Kathedrale von Tarragona

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Mit dem E-Bike nach Furtwangen

Passend zum Sommersemester an der Hochschule und somit zur E-Bike-Saison habe ich ein paar Touren bei Outdooractive veröffentlicht. Da ich mein Fahrrad öfters mit der Bahn transportiere, liegt der Fokus auf Strecken von und nach Bahnhöfen im Umkreis von Furtwangen. Das kommt aber sicher auch jenen gelegen, die eine Streckentour fahren und mit dem Rad im Zug anreisen wollen. In Furtwangen lassen sich die Touren dann entsprechend verknüpfen.

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Das Ende des Buches oder die Demokratisierung des Wissens?

Ein kleiner Disclaimer vorab:


Beim folgenden Text handelt es sich um meine Meinung als Privatperson: Zwar arbeite ich beruflich in der Nationalbibliothek, aber die folgenden Aussagen sind keine offizielle Äußerung der Bibliothek.


Vor ein paar Wochen hat die Nationalbibliothek bekannt gemacht, dass sie bei Werken die sowohl digital wie auch gedruckt vorhanden sind, nur noch die digitale Ausgabe zur Verfügung stellt.

Diese Bekanntmachung hat vor allem in der FAZ zu einer Reihe von extrem schlecht recherchierten Artikeln geführt, die nicht wirklich über dem Niveau von der Bild liegen [Zwangsigitalisiert], [Bildschirm als Schonung], [Aufzeichnungen aus dem Kellerloch]. Wobei ich schon den Eindruck habe, dass die Bild meistens mehr recherchiert.

Also was ist eigentlich los?

Eine Archivbibliothek ist immer in einem Konflikt zwischen Nutzerservice und Archivierung. Der Sinn eines Archives ist es, Materialien für die Nutzung zu verwahren. Nur leider macht die Nutzung diese Dinge häufig kaputt. Viele Bücher, die produziert werden, sind nicht dafür gemacht, mehrfach – also mehr als 5–10 mal – intensiv gelesen zu werden. Bei beliebten Büchern kann das aber durchaus vorkommen.

Um das Dilemma zu lösen, gab es immer schon verschiedene Lösungsansätze. Einige Nationalbibliotheken sammeln immer gleich mehrere Exemplare ein. So sammeln Peru und Venezuela immer drei Exemplare jeder Veröffentlichung und andere Nationalbibliotheken noch viel mehr davon. Viele Nationalbibliotheken bieten ihren Bestand nur einer „wissenschaftlichen Elite“ an. Wenn man also nicht mindestens eine Doktorarbeit schreibt, kommt man gar nicht erst an die Bücher. Andere Bibliotheken kaufen einfach konstant nach. So läuft es in allen Stadtbüchereien und in den Unibibliotheken ebenfalls.

Auch die Deutsche Nationalbibliothek kauft bei viel gefragten Nachschlagewerken noch weitere Ausgaben für den „Verbrauch“ [http://d-nb.info/98008184X].

Leider hat keine Bibliothek ein unbegrenztes Budget und häufig gehen die Bücher auch kaputt, wenn sie gar nicht mehr käuflich zu erwerben sind. Natürlich kann man diese restaurieren. Aber auch die reparierten Varianten können nur wieder bedingt häufig genutzt werden.

kaputtes Buch
Bild aus dem Artikel: „Digitalisierung in der Deutschen Nationalbibliothek“ von Kurt Schneider

Diese Bücher waren lange tatsächlich weggesperrt und konnten nicht mehr genutzt werden. Durch die Digitalisierung können diese Werke schon länger wieder unbegrenzt konsumiert werden und das sogar häufig auch von zuhause.

Diese Variante führt also dazu, dass ein Titel nicht fünf, mal sondern millionenmal genutzt werden kann.

Soviel zu den für mich überzeugenden Gründen. Als Bibliothek hat man die Aufgabe, möglichst viele Menschen mit Informationen zu versorgen. Digitale Bücher erlauben es, wesentlich effektiver mehr Menschen den Zugang zu Wissen zu ermöglichen.

Was ist jetzt mit der kompletten Sperrung aller gedruckten Materialien für die Nutzer?

Ende 2015 hatte die Nationalbibliografie ungefähr 15.000.000 Titel insgesamt. Von diesen 15.000.000 waren bereits 2.000.000 originär digitale Publikationen. Von den restlichen 13.000.0000 wurden in den letzten Wochen 500.000 Publikationen als ebenfalls digital vorhanden markiert und für die Ausleihe gesperrt. 500.000 ist eine große Zahl, aber im Vergleich zu allen sind das 3%, die digital genutzt werden sollen obwohl es eine gedruckte Ausgabe gibt.

Die Zahlen entstammen dem Jahresbericht 2015: urn:nbn:de:101-2016052300

Bei 13% aller Publikationen gab es noch nie eine gedruckte Ausgabe. Insbesondere diese Zahl wird die nächsten Jahre noch stark steigen. So wurden schon 2015 mehr Netzpublikationen als körperliche Medien veröffentlicht und in 2016 ist das Verhältnis schon fast 1:3.

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Nachvollziehbar Reihe O: Reihe A und B 

Die Welt der Bücher wird also digital, ob wir das gut finden oder nicht! Es wird Zeit, sich damit zu beschäftigen, wie man sie noch besser konsumieren kann und das große Potential der schnellen Verfügbarkeit vernünftig nutzt.