Compact Discs und Verwandte, Teil 5: HDCD

Was ist HDCD?

HDCD steht für High Definition Compatible Digital. Die Idee hinter HDCD ist, den nutzbaren Dynamik-Umfang zu erhöhen.

Dies geschieht mit zwei Features, Peak extend (PE) und Low-level gain adjustment (LLE). Bei PE werden Peaks lauter als -9 dB komprimiert und auf -6 dB limitiert und das ganze Signal wird um 6 dB angehoben. Beim Abspielen wird die Dynamikkompression wieder rückgängig gemacht. Bei leisen Stellen in der Aufnahme kann LLE aktiviert werden, was die 6 dB-Anhebung wieder korrigiert.

Ein drittes Feature, das die Wahl zwischen verschiedenen Rekonstruktionsfiltern in der D/A-Wandlung ermöglichen sollte, wurde vor der Produkteinführung wieder fallengelassen.

Die HDCD-Steuerinformationen sind in Mustern in den niederwertigsten Bits des Nutzsignals codiert, es ist also eine In-Band-Signalisierung. Daher bleibt die HDCD-Information auch bei verlustloser Kompression z.B. in ALAC oder FLAC erhalten.

HDCD wurde 1995 eingeführt, die Entwicklerfirma Pacific Microsonics wurde 2000 von Microsoft übernommen. 2005 wurde die offizielle HDCD-Webseite von Microsoft schon wieder vom Netz genommen.

Bekannte Musiker, bei denen man mit einer noch verhältnismäßig hohen Chance zufällig auf eine HDCD treffen könnte, sind Mark Knopfler und Neil Young. Laut einer Liste von HDCDs bei der Webseite Hydrogenaudio sind noch 2013 Alben von Neil Young als HDCD erschienen. Laut Discogs sind sogar noch bis in die 2020er einzelne HDCD-CDs veröffentlicht worden.

Wie abspielen?

Bei High Definition Compatible Digital CDs handelt es sich um ganz normale Red-Book-CDs, die deswegen neben dem HDCD-Logo auch das bekannte Compact-Disc-Digital-Audio-Logo tragen. Als solche können sie mit jedem CD-Spieler wiedergegeben werden. Daher kommt ja auch das „Compatible“ in HDCD. Hier ein Beispiel, wie das auf der „Sailing to Philadelphia“ von Mark Knopfler aussieht, mit einer Detailvergrößerung.

Sofern man aber nicht gerade einen CD-Player mit HDCD-Decoder hat, wird sich die Wiedergabe wegen der Dynamikkompression nicht ganz so anhören wie sie sollte. Das ist ungünstig, aber all zu viele Gedanken sollte man sich darüber nicht machen, die Unterschiede sind gering. Siehe dazu den Abschnitt „Lohnt sich HDCD?“ weiter unten.

Wie viele Player mit HDCD-Decoder tatsächlich existieren, ist mir nicht klar. Die FAQ der HDCD-Webseite von 2004 aus der WayBack-Machine spricht von „über 100“ Modellen, wozu neben reinen CD-Playern auch DVD-Player zählen sollen.

Wie migrieren?

Zunächst einmal gilt auch hier wieder, dass man HDCD-CDs ganz normal rippen kann, da sie Red-Book-konform sind.

Anders als bei CDs mit Pre-Emphasis, wo sich das entsprechende Flag in der TOC bzw. im Subcode befindet, bleibt bei HDCD die Steuerinformation beim Rippen und verlustfreien Komprimieren erhalten, da es eine In-Band-Signalisierung ist.

Ein Software-Player mit HDCD-Decoder kann ein File mit HDCD-Information korrekt decodieren. Bei einer verlustbehafteten Komprimierung (z.B. in AAC oder MP3) geht die HDCD-Steuerinformation verloren.

Da HDCD zu Microsoft gehört, ist es nicht ganz so seltsam, dass der Windows Media Player ab Version 9 HDCD untersützen soll. Dem Vernehmen nach, was man so in Foren liest, funktioniert das aber wohl nicht so zuverlässig. Ich selbst hab es nicht getestet und auch nicht, ob ein aktuelles Windows immer noch von Haus aus HDCD dekodiert.

Ein Software-Player, für den es ein Plugin gibt, ist foobar2000. Damit kann man dann auch ein HDCD-Audio-File mit 16 Bit Wortbreite in ein decodiertes File mit 24 Bit konvertieren. Eigentlich sollte durch die HDCD-Dekodierung ein Dynamikumfang von 20 Bit rauskommen, aber aus Kompatibilitätsgründen wird ein 24 Bit-File daraus. Auch wenn man das dann wieder verlustfrei komprimiert, geht dafür natürlich nicht wenig Speicherplatz drauf. In den Einstellungen und beim Abspielen sieht das dann so aus wie auf dem Screenshot.

Zum Vergrößern auf das Bild klicken! Erklärung:
Blauer Kasten: Das Plugin foo_hdcd muss installiert sein.
Roter Kasten: Beim Konvertieren eines encodierten HDCD-Files in ein dekodiertes 24-Bit-File muss im Converter Setup das Häkchen bei „Additional decoding“ gesetzt sein.
Roter Pfeil: So sieht die Statusleiste aus, wenn ein File mit HDCD-Info abgespielt wird und das HDCD-Decoder-Plugin installiert ist. Man beachte, dass die Wortbreite wegen der aktiven HDCD-Dekodierung als 24 Bit angezeigt wird, obwohl die abgespielte Datei tatsächlich 16-Bit-ALAC ist. Die Info rechts zeigt, dass PE aktiv ist, aber LLE nicht.

Lohnt sich HDCD?

Nicht so richtig. HDCD ist gegenüber einer „normalen“ CD keine klangliche Offenbarung oder sowas. Unter günstigsten Umständen lassen sich 4 Bit an zusätzlichem Dynamikumfang rausholen, man ist also bei effektiven 20 Bit. Diesen Gewinn bekommt man aber nur mit einem speziellen Dekoder. Auf der anderen Seite ist bei der Wiedergabe einer HDCD ohne Dekoder die Qualität sogar vermindert. Bei der Hydrogenaudio Knowledgebase geht man sogar so weit zu behaupten „HDCD was (mostly) a scam“.

Ich hab hier selber mal getestet, wie sehr sich decodiertes HDCD von nicht decodiertem HDCD tatsächlich unterscheidet. Dazu habe ich zunächst das codierte und das decodierte File beide in den Audio-Editor Audacity geladen und anschließend die Lautstärke des codierten Files um 6 dB abgesenkt (also den ersten Schritt der HDCD-Codierung sozusagen händisch rückgängig gemacht), damit beide genau gleich laut sind. Beim Abspielen konnte ich so direkt zwischen beiden umschalten. Mir ist es nicht gelungen, einen Unterschied rauszuhören.

Um zu sehen, ob es tatsächlich einen Unterschied gibt, habe ich eine der beiden Spuren invertiert und dann die beiden in eine dritte zusammengemischt, also die Differenz gebildet. An der Differenz ist sichtbar, dass sich das codierte und das decodierte HDCD in der Tat unterschieden, und zwar auch genau da, wo man es erwarten würde, nämlich an lauten Stellen wie Schlagzeugschlägen.

Und selbst jetzt, wo ich nun genau wusste, wo die Unterschiede sind, vermochte ich sie (über meinen Kopfhörer AKG K371) nicht wahrzunehmen.

Da gerade eben noch eine weitere HDCD reingekommen ist, nämlich der „Sultans of Swing“-Sampler von den Dire Straits, habe ich damit auch noch einen Test gemacht. Hier fand ich beim Titellied „Sultans of Swing“ die Unterschiede minimal hörbar, wobei die HDCD-decodierte Version die bevorzugte Variante ist. Ob ich die auch in einem Blindtest zuverlässig erkennen könnte, lasse ich mal offen.

Es mag sein, dass bei anderen Musikstücken die Unterschiede vielleicht deutlicher wahrnehmbarer wären, aber sei es drum… Der Unterschied zwischen decodiertem und nicht decodiertem HDCD ist jedenfalls weit geringer als die Abweichung, die bei einer fehlenden De-Emphasis (siehe Teil 3) entsteht.

Man braucht sich also keine übergroßen Gedanken zu machen, wenn man eine HDCD in der Sammlung hat, aber keine Möglichkeit, sie zu decodieren. Zumindest bei der „Sailing to Philadelphia“ kann ich sagen, dass der Unterschied allenfalls marginal ist. Und wenn der Unterschied von nicht decodiertem zu decodiertem HDCD schon so gering ist, kann der Qualitätsgewinn von HDCD zur normalen CD erst recht nur marginal sein.

Was könnten denn überhaupt effektive 20 Bit Dynamikumfang gegenüber 16 Bit bringen? Einerseits braucht man die 20 Bit nicht, denn der Dynamikumfang der CD von 16 Bit (was etwa 96 dB entspricht) ist in üblichen Hör-Situationen in der Praxis mehr als ausreichend. Andererseits sind 20 Bit nicht gut genug, wenn man bedenkt, dass 1997 mit der DVD ein überlegenes Format auf den Markt kam. Auch wenn man DVDs eher mit Filmen als mit Musik assoziiert: Es sind bei der DVD-Video bei einer deutlich größeren Speicherkapazität des Mediums Tonspuren mit 24 Bit-Samples möglich und das sogar bei bis zu 96 kHz Sampling-Rate (gegenüber den 44,1 kHz der CD). Das war auch von Anfang an so spezifiziert. Aber zu DVD-Video und DVD-Audio später mehr.