Möchte man von Frankreich nach Spanien oder umgekehrt mit dem Zug reisen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Der moderne und schnelle Weg ist mit TGV oder AVE über die Neubaustrecke Perpignan-Barcelona durch den Perthus-Tunnel. Der klassische Weg nach Barcelona führt über Cerbère und Portbou, der ins Baskenland oder mit dem Nachtzug nach Lissabon über Hendaye und Irùn. Doch es gibt noch eine vierte Variante: Von La Tour de Carol nach Puigcerdà in den Pyrenäen. Der Bahnhof La Tour de Carol ist einer der wenigen Bahnhöfe, in denen drei elektrifizierte Strecken mit drei Spurweiten und drei Stromsystemen zusammenkommen. Das und die tolle Landschaft sind Gründe genug, der Gegend einen Besuch abzustatten.
Unser Weg sollte uns von Tarragona über Barcelona nach Puigcerdà und weiter über La Tour de Carol, Villefranche und Perpignan mit dem Nachtzug nach Strasbourg und schließlich nach Hause nach Frankfurt führen.
Während es von Tarragona nach Barcelona schnelle Regionalzüge mit wenigen Zwischenhalten gibt, geht es auf dem Weg von Barcelona in die Pyrenäen deutlich gemütlicher zu. Nach Puigcerdà kommt man nur mit Rodalies (also S-Bahnen) der Linie R3 L’Hospitalet de Llobregat-La Tour de Carol. Die Fahrt von Barcelona nach Puigcerdà dauert rund 3 Stunden. Die Strecke wird kurz hinter Barcelona an der Station Montcada Bifurcaciò eingleisig. Viele Fahrten der R3 enden schon nach der Hälfte der Gesamtstrecke in der gut 40.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt Vic. Bis Puigcerdà kommen an Wochentagen noch sieben, an Wochenenden nur sechs und die letzten paar Kilometer über die Grenze sogar nur vier Züge.
Auf der Linie R3 werden Triebwagen der RENFE-Baureihe 447 eingesetzt, die als Besonderheit und für einen Vorortzug von Barcelona im ersten Moment eher unerwartet mit Skihalterungen ausgestattet sind. Mit Umstieg im Bahnhof Ribes de Freser in die Zahnradbahn Cremallera de Núria kann nämlich das Skigebiet im Vall de Núria erreicht werden und auch in der Gegend von Puigcerdà wird Wintersport betrieben.
Wir ließen die Zahnradbahn hinter uns, um schließlich rund eine Stunde später in Puigcerdà ins Hotel Parada einzuchecken, das sich durch einen extrem kurzen Weg vom Bahnhof auszeichnet. Es ist nämlich im Bahnhofsgebäude. 🙂
Trotz des Gleisblicks und der Lage im Bahnhof braucht man sich aufgrund des dünnen Fahrplans keine Sorgen wegen eventueller Lärmbelästigung machen. Und nachts schlafen die 447er auch.
Heute sind in Puigcerdà noch drei durchgehende Breitspurgleise, davon zwei mit Bahnsteig, und zwei stumpfe Abstellgleise in Betrieb. Doch wie man auf den Bildern schon etwas erahnen konnte, liegen dahinter noch eine Menge zugewachsene Gleise. Früher konnten hier normalspurige Züge aus Frankreich ankommen. Mit einem Zoom-Blick aus dem Hotelzimmer konnte man noch einen Treppenabgang erkennen, wo früher wohl der Bahnsteig für Züge aus Frankreich war.
Dahinter liegen noch weitere zugewachsene Gleise, die früher dem Güterumschlag gedient haben. Heutzutage findet hier überhaupt kein grenzüberschreitender Güterverkehr mehr statt.
Ich wollte mir den stillgelegten Bereich mal etwas aus der Nähe ansehen. Zwar wird von Einheimischen der direkte Weg™ über die Gleise als Schleichweg genutzt, doch auf der Suche nach einer offiziellen Route wurde ich mit einer Brücke an der nördlichen Bahnhofsausfahrt fündig. Dort sieht man beim Blick nach Norden, Richtung La Tour de Carol in Frankreich, dass dort ein normalspuriges (rechts) und ein breitspuriges Gleis (links) nebeneinander liegen.
In die andere Richtung sieht man das Einfahrsignal des Breitspurgleises.
Geht man auf der anderen Seite der Brücke wieder zum Bahnhof, sieht man, dass das normalspurige Gleis, das früher das breitspurige kreuzte, heute durchtrennt ist.
Auf dem Weg zum stillgelegten Teil des Bahnhofs eröffnet sich noch ein Blick auf die auf einem Hügel liegende Stadt. Der weithin sichtbare Glockenturm steht heute alleine und gehörte zur 1936 im Bürgerkrieg zerstörten Kirche Santa Maria.
Im zugewachsenen Teil des Bahnhofs angekommen offenbarte sich ein Dreischienengleis.
Eine freie Fläche hinter den stillgelegten und zugewachsenen Gleisen war wohl früher der Bahnsteig für Züge aus Frankreich.
Nach all der Spurensuche am Bahnhof wollte ich mir dann aber doch auch in die Stadt. Ich stellte mich schon auf einen beschwerlichen Aufstieg ein, doch dann…
… fand Anke eine Standseilbahn, …
… oder ist es ein Schrägaufzug?
An die Bergstation schließt sich noch ein (normaler) Aufzug an und man erreicht den schmucken Stadtkern.
Noch einmal den Glockenturm aus der Nähe anschauen, doch dann mussten wir auch schon weiter nach…
Frankreich und zwar in die Gemeinde Enveitg, wo sich der Bahnhof La Tour de Carol-Enveitg (katalanisch La Tor de Querol-Enveig) befindet. Mangels zeitlich passender Zugverbindung und zu faul zum Laufen ging es übrigens mit dem Taxi über die Grenze.