Morgen wird im EU-Parlament über die umstrittende Urheberrechtsreform abgestimmt.
Vorgestern sind Zehntausende in ganz Deutschland gegen diese Reform auf die Straßen gegangen. Wir waren in Frankfurt dabei. Es hat mich gefreut, so viele junge Menschen und mutmaßlich viele Informatiker, die sonst nicht immer sehr politisch sind, dort zu sehen. Der Paulsplatz war vor Beginn der Veranstaltung jedenfalls schon gut gefüllt.
Aber gibt es nicht auch Gründe, für diese Reform zu sein?
Nein!
Bei näherer Betrachtung der wesentlichen Argumente der Befürworter fällt auf, dass der aktuelle Entwurf nicht geeignet ist, um die Ziele zu erreichen, die man sich davon verspricht.
Sollten nicht die Plattformen mehr an die Urheber zahlen?
Ja klar, aber die Reform ist nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Zwar ist in Artikel 13 vorgesehen, dass die Plattformen Inhalte von Verwertungsgesellschaften lizenzieren. Hinter dieser Logik steht die Annahme, dass YouTube wohl nur dazu benutzt wird, urheberrechtlich geschützes Material von Musikern und Filmstudios illegal zu verbreiten. Aber das ist nicht so! Klar kann man sich die Musikvideos der deutschen Top 100 Charts bei YouTube ansehen, aber die wurden von den Bands selbst hochgeladen. Sollten andere Uploader urheberrechtlich geschützte Musik zum Beispiel als Hintergrund für eigene Filme verwenden, ist dies natürlich erst mal urheberrechtlich nicht in Ordnung. Allerdings zahlt YouTube bereits heute Lizenzgebühren an die GEMA!
Die Reform stärkt also allenfalls die Verhandlungsposition der Verwertungsgesellschaften, da bislang ein Plattformbetreiber erst ab Kenntnis einer Urheberrechtsverletzung haftbar war, nach der Reform aber direkt beim Upload. Es ist aber keineswegs so, dass bisher kein Geld geflossen war und es ist auch nicht so, dass YouTube gezwungen wäre, Lizenzen abzuschließen. Sie könnten auch den Upload verhindern, dann wären wir bei den Uploadfiltern (s.u.).
Künstler, die nicht von der GEMA vertreten werden, haben weiterhin nichts davon, da es kaum möglich sein wird, mit einer Vielzahl von Musikern Lizenzvereinbarungen abzuschließen. Die Reform stärkt also gar nicht die Urheber, sondern nur die Verwerter.
Desgleichen gilt im Text-Bereich für Autoren, die nicht von der VG Wort vertreten wären. (Ok, das betrifft jetzt vielleicht eher Artikel 11.) Einer der größten Empfänger von Auszahlungen der VG Wort ist im übrigen Gerüchten zufolge der Springer-Verlag. Kein Wunder also, dass Bild und Welt so stark für die Reform schreiben.
Aber da steht doch gar nix von Uploadfiltern?
Äh, doch. Der Plattformbetreiber ist nämlich dann nicht haftbar, wenn er die bestmögliche Anstrengung unternimmt, den zukünftigen Upload von urheberrechtlich geschütztem Material zu unterbinden („best efforts to prevent their future uploads“). Das geht nur mit Uploadfiltern.
Es gibt übrigens eine Reihe von erlaubten Nutzungen von urheberrechtlich geschütztem Material in Form von Zitaten oder Satire. Das ist sogar auch nach dem Entwurf von Artikel 13 ausdrücklich erlaubt. Allerdings würde der Einsatz von Uploadfiltern zweifellos zu Kollateralschäden führen, also in verhältnismäßig großer Zahl auch legale Uploads zurückweisen.
Kann man da nicht mit KI was machen?
Nein! Filter auf Basis von Machine Learning haben eine zu große Fehlerrate. Insbesondere die Unterscheidung von legaler Nutzung im Rahmen von Satire ist ein hartes Problem. (Ich weiß, wo von ich Rede, ich hab‘ mal ne Doktorarbeit über Machine Learning geschrieben.) Das ist auch die einhellige Meinung von Informatikern, auch wenn einige „Experten“ der CDU da anderer Meinung sind. Und nein, Google erkennt die Memes nicht mit KI, sondern daran, dass jemand an ein Bild mal „Meme“ dran geschrieben hat.
Im übrigen braucht Machine Learning Trainingsdaten, also sprich Vorlagen, anhand derer die zu klassifizierenden Inhalte zu identifizieren sind. Technisch sind nur die großen Plattformen mit vielen Daten dazu in der Lage, mit wenigstens halbwegs zufriedenstellender Genauigkeit einen solchen Uploadfilter zu bauen. Mittelgroße Betreiber müssten sich also einen solchen Filter von Google zur Nutzung geben lassen. Die Uploadfilter zementieren also noch die Vormachtstellung von Google.
YouTuber sind auch Urheber!
Was in den Argumenten der Befürworter keine Rolle zu spielen scheint ist übrigens die Tatsache, dass die YouTuber, die von den genannten Kollateralschäden, dem unberechtigen Zurückweisen von Inhalten durch automatische Filter, betroffen wären, auch Urheber sind. Auch unter diesen gibt es welche, die mit ihren Werken Geld verdienen. Nur weil es nicht über Filmstudios und Großverlage läuft, kann man das nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Für diese Urheber bedeuten Uploadfilter potentiellen Einnahmeausfall.
Zensur?
Und dann war da noch das Zensur-Problem. Natürlich ist eine Verhinderung von urheberrechtsverletzenden Uploads erst mal keine Zensur, aber wenn eine Infrastruktur erst mal etabliert ist, gibt es immer auch die Möglichkeit, sie zu missbrauchen. Eine Ausweitung auf Terrorpropaganda ist schon angedacht. Aber was kommt dann? Manch einer denkt da schon weiter.
Fazit
Fassen wir also zusammen:
Artikel 13 stärkt nicht die Urheber, sondern allenfalls die Verwertungsgesellschaften.
Artikel 13 führt nicht dazu, dass die großen Plattformen geschwächt werden, sondern zementiert noch ihre Vormachtstellung.
Uploadfilter sind technisch schwierig, weil Machine Learning ist nicht in der Lage, hinreichend genau zwischen legalen Zitaten und Satire und urheberrechtlich illegaler Nutzung zu unterscheiden.
Artikel 13 führt also nicht dazu, dass alle Urheber besser gestellt werden, denn YouTuber sind auch Urheber und die werden von ungenauen Filtern behindert.