Ich glaube nicht an Nationen

In den letzten Jahren gibt es eine für mich völlig absurde Wiederbelebung des Nationalismus weltweit. Insbesondere in Europa wächst nicht nur die Begeisterung für das eigene Land, sondern damit auch gleich noch die Verachtung von allem, was angeblich das Bild vom eigenen Land bedroht und anders ist.

Jetzt mal ehrlich, ich kann meinen Ehemann auch lieben, ohne alle anderen Männer hassen zu müssen. Während ich mir meinen Ehemann, meine Stadt und meinen Arbeitgeber, meine Freunde und viele weitere Dinge, die mein Leben und meine Identität bestimmen, selber ausgesucht habe, ist mein Geburtsland eher zufällig über mich gekommen.

Warum also ausgerechnet das Geburtsland und eventuell auch noch die Religion (die ich mir in der Regel auch nicht selber aussuche) so essentiell für die eigene Identität sein sollen, erschließt sich mir nicht.

Die willkürliche Grenzziehung der Nationalstaaten, die dann zur Konstruktion einer Kultur und Geschichte herangezogen wurden, erscheinen mir viel zu weit weg und fremd, um ein „wir“ zu fühlen. Es gibt wenige Punkte in der deutschen Geschichte, die mich persönlich geprägt haben. Davon haben sich die meisten tatsächlich erst nach meiner Geburt ereignet oder meine Eltern so betroffen, dass ich die Auswirkungen im Leben gemerkt habe.

Mein aktuelles Leben in Frankfurt hat von den Gebräuchen, Essen, Werten und Sitten wenig mit dem Leben meiner Eltern im Emsland vor 50 Jahren gemein. Wenn es irgendwie noch etwas wie gemeinsame Kultur gibt, dann kann ich sie noch ansatzweise in kleineren kulturellen Regionen wie Hessen, Münsterland, Friesland, Katalonien oder Andalusien sehen. Warum aber Katalonien mit Andalusien mehr gemein haben sollte als mit Südfrankreich, nur weil mal jemand die Regionen zu einer Nation zusammengelegt hat, erscheint mir völlig willkürlich und künstlich konstruiert.

Von dem ausgehend muss ich gestehen, dass ich den katalanischen Nationalismus noch etwas besser nachvollziehen kann als den deutschen oder spanischen Nationalismus. Vor allem auch, weil dort zwar lokale Gerichte und Bräuche als eigenes gefeiert werden, aber die Herabwürdigung von Allem, was anders ist, ausbleibt. So kann ich doch auch der Meinung sein, dass grüne Soße eins der besten Gerichte der Welt ist und trotzdem mich auf mein Leberkäsbrötchen und eine Paella freuen.