Zu einfach

In der Katalonien-Frage machen es sich momentan leider alle Akteure viel zu einfach.

Das katalanische Parlament macht es sich zu einfach, in dem es die Unabhängigkeit erklärt, denn realistischerweise muss man sagen: Kaum ein anderes Land wird diese Unabhängigkeit anerkennen.

Die PP-geführte Zentralregierung macht es sich aber auch zu einfach, wenn sie glaubt, durch vorübergehende Aussetzung der Autonomie und das Ansetzen von Neuwahlen das Problem aus der Welt zu schaffen.

Die EU macht es sich zu einfach, in dem sie mit dem Verweis, es handele sich um eine innere Angelegenheit, die Vermittlerrolle von sich weist. Offensichtlich funktioniert der Dialog zwischen Katalonien und der Zentralregierung nicht mehr ohne Vermittlung von außen und irgendjemand muss das übernehmen.

Diejenigen machen es sich zu einfach, die darauf verweisen, dass Spanien ein Rechtsstaat sei, ohne darauf zu schauen, dass es in eben diesem Rechtsstaat offenbar möglich ist, dass eine Partei das Verfassungsgericht als Instrument der Regierung missbraucht. Dass allein ein Einspruch ausreicht, um ein Gesetz erst einmal vorübergehend unwirksam werden zu lassen, wurde in der Vergangenheit zum Blockadewerkzeug.

Es machen sich diejenigen zu einfach, die jeden Dialog mit Katalonien ablehnen und dabei als einziges Argument anführen, dass eine Sezession gegen die spanische Verfassung ist. Auf der anderen Seite machen es sich auch diejenigen zu einfach, die dagegen mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker argumentieren und dass dieses über der Verfassung stehe. Und als letzte in dieser Reihe machen es sich wieder die zu einfach, die behaupten, das Selbstbestimmungsrecht der Völker gelte nicht, weil Katalonien nicht unterdrückt sei, ohne aber zu hinterfragen, warum ein Teil der Bevölkerung das offenbar doch so sieht.

Zu einfach ist es auch, zu behaupten, die Mehrheit sei doch gar nicht für die Unabhängigkeit, wenn man sich dabei auf Umfragen beruft, die in der El Mundo veröffentlicht wurden. Genau so wenig sollte man natürlich eine Umfrage kritiklos hinnehmen, wenn sie nur im katalanischen TV3 gezeigt wird.

Generell machen es sich die zu einfach, die „Katalonien“ und „katalanisch“ nicht richtig buchstabieren können und trotzdem kommentieren was das Zeug hält, und damit meine ich tatsächlich nicht nur Internetnutzer, die unter Presseartikeln kommentieren, sondern auch so manchen Artikel selbst.

Es machen sich auch die zu einfach, die behaupten, dass viele Katalanen ja nur aus wirtschaftlichen Gründen die Unabhängigkeit wollen, weil sie nicht solidarisch seien, anstatt nach den wahren Ursachen zu forschen. Wer die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien mit den (meist rechtspopulistischen) Nationalisten in anderen Ländern in einen Topf wirft, der macht es sich viel zu einfach, denn er verkennt, dass die (radikalen) Rechten auf der Seite der spanischen Unionisten mit laufen.

Ich habe es mir gestern auch mal einfach gemacht und mich vor der Paulskirche auf die Seite der Katalanen gestellt.

Demo auf dem Paulsplatz in Frankfurt
Demo auf dem Paulsplatz in Frankfurt