An sich bin ich ja ein sehr großer Fan der Tagesschau, aber was die Berichterstattung über Katalonien angeht, so werden dort leider aktuell einige Dinge zu sehr vereinfacht, mit einer falschen Konnotation versehen oder sogar direkt falsch wiedergegeben.
Das „Referendum“
Das „Referendum“, das laut Tagesschau von der katalanischen Regierung angeordnet wurde, ist nämlich keines, sondern lediglich eine „Konsultation“, also keine Volksabstimmung, sondern eine nicht bindende Volksbefragung, auch wenn es die Rajoy und seine PP gerne so nennen.
Die hohen Transferzahlungen Kataloniens an den Zentralstaat, die auch in dem selben Artikel erwähnt werden, mögen zwar durchaus für viele Katalanen ein Auslöser sein, auf die Straße zu gehen. Tatsächlich ist für viele Katalanen aber die vielfache Einmischung der spanischen Regierung in katalanische Belange viel entscheidender. Nur ein Beispiel ist das Gesetz aus dem November 2013, in dem die spanische Regierung den Stierkampf zum „immateriellen Kulturgut“ erklärt hat – mit dem Nebeneffekt, die Katalanen zu ärgern, denn in Katalonien wurde der Stierkampf zwei Jahre vorher verboten. Dass in dem Tagesschau-Artikel dazu unter der Absatzüberschrift „Keine Rücksicht auf katalonische [sic!] Befindlichkeiten“ von Katalonien als eine „möchtegern abtrünnige Wirtschaftsregion“ [sic!!] ist sicher ein Ausrutscher…
Das „Urteil“
Das „Urteil“ des spanischen Verfassungsgerichts (Tribunal Constitucional), das laut Tagesschau gefallen sein soll, ist keines, sondern lediglich die Annahme des Einspruchs, was automatisch zu einer vorläufigen Suspendierung des Gesetzes führt.
Die „Separatisten“
Außerdem frage ich mich, warum in Katalonien immer von „Separatisten“ gesprochen wird, wie zum Beispiel zuletzt in dem Tagesschau-Artikel, der von den Demonstrationen gestern berichtet, während in Schottland meist neutral von „Unabhängigkeitsbefürwortern“ gesprochen wurde. Im Duden kann man zu dem Wort „Separatist“ lesen, dass der Gebrauch „oft abwertend“ sei. Muss das wirklich sein? Dass es sich bei den „Separatisten“ in Katalonien nicht nur um ein paar Spinner handelt, wie die Konnotation des Wortes nahelegt, zeigt doch schon die Tatsache, dass sich mit nur einem Tag Vorlaufzeit zehntausende Menschen im ganzen Land mobilisieren ließen, um vor den Rathäusern ihrer Städte zu demonstrieren – übrigens nicht nur in Katalonien, sondern auch in Palma de Mallorca, Valencia und sogar Brüssel!
Was zum Lesen
Wer zur Abwechslung mal einen guten Artikel über die Situation in Katalonien lesen will, der sei hiermit auf den Artikel „Spanischer Verbotsrekord“ von Ralf Streck, erschienen im Online-Magazin „Telepolis“ aus dem Heise-Verlag, verwiesen.
Nachtrag
Selbst die „Welt“, die ich sonst gar nicht mag, hat ausnahmsweise mal zur Diada einen besseren Artikel als die Tagesschau geliefert, obwohl auch die Welt die Volksbefragung mit einem Referendum verwechselt hat.