#sentimjunts – Teil 3: Der erste Auftritt – Hem fet historia!

Die Bezeichnungen Auftritt und Probe sind eigentlich etwas irreführend. In Wirklichkeit sind die Auftritte knallharte Wettbewerbe, in denen man Punkte für das Jahresranking sammelt. Jedes Castell hat dabei unterschiedlich viele Punkte. Einen Teil der Punkte gibt es bei korrektem Aufbau (carregat) und die volle Punktzahl, wenn auch der Abbau (descarregat) noch klappt.

In den Proben (Trainings) werden die verschiedenen Castells ausführlich geübt, in der Hoffnung, dass sie dann auf dem Platz (wo der Wettbewerb stattfindet) auf- und abgebaut werden können.

Die Bezeichnungen Auftritt und Probe kommen daher, dass die Castells aus den Valenzianischen Tänzen (und die wiederum aus den Moixiganga) hervorgegangen sind und es zunächst wirklich nur Auftritte waren.

Am letzten Sonntag war es dann soweit. Wir waren bei unserem ersten Auftritt dabei. Und dieser sollte gleich zu einem der besten werden, den die Colla Jove dieses Jahr bislang hatte. Mich überkommt aber die Vermutung, dass es da nicht primär an uns beiden lag. Trotzdem war das ein legendäres Erlebnis.

Alle Mitglieder der Colla versammeln sich zunächst im Vereinshaus:

Anke vor dem Lokal der Colla (am Tag danach)
Anke vorm Lokal der Colla (am Tag danach)

Dann geht es in weißen Hosen mit Faixa und lila Hemd zum Platz, wo der Wettbewerb stattfindet. Voran laufen die Musiker und untermalen den Einmarsch. In unserem Fall waren das nur ca. 100 Meter vom Vereinshaus zum Platz und da fast 300 Mitglieder dabei waren, hat sich der komplette Weg kurzfristig lila gefärbt.

Marsch vom Lokal zum Plaça de la Font
Marsch vom Lokal zum Plaça de la Font

Obwohl eigentlich Regen angesagt war, hatten wir Glück und die drei Stunden des Auftritts war es ziemlich sonnig, aber nicht zu heiß. Schließlich steht man ja ca. 1/4 der Zeit eng aneinander gedrückt herum.

Dann werden in der Reihenfolge des Alters der Collas die Castells aufgebaut.
Die verschiedenen Verantwortlichen im Team der jeweiligen Collas haben dafür wieder ihre Klemmbretter dabei und organisieren die Massen in die richtige Form. Erst wenn die Pinya und eventuell die Folre (also die größere Gruppe von Menschen auf der Pinya) richtig stehen geht es weiter. Die Musik beginnt erst ab der Stufe 4 vor Ende des Castells und erst ab der Musik zählt das Castell für den Wettbewerb. Wenn dann alles vor Ende des Aufbaus zusammenfällt, gibt es keine Punkte.

In dieser Phase wird ganz besonders geguckt, ob alles gut steht und die Verantwortlichen rennen wie Hütehunde um die Pinya herum und korrigieren alles bis zur Perfektion.

Jede Colla führt drei Castelles auf, die dann in die Bewertung eingehen.

Als zweites Castells haben wir einen Turm mit Stütze auf der zweiten Etage, drei Personen über 9 Stockwerke und mit einem Turm von Einzelnen zwischen den drei Personen aufgebaut. Tierisch schwierig zu erklären und noch viel viel schwieriger aufzubauen. Die Konstruktion benötigt enorm viel Stabilität und Kraft. Die Colla hat über 2 Jahre für diesen Turm geübt und war sehr frustriert, als der Aufbau beim vorherigen Auftritt nicht funktioniert hat.

Jetzt war der Wunsch sehr groß, dass es endlich klappt. Mit der Hilfe von einer anderen kleinen Colla hat der Aufbau diesemal dann auch erfolgreich geklappt. In der Pinya habe ich davon leider nichts gesehen, da man auf keinen Fall nach oben gucken darf und den Kopf aus Sicherheitsgründen immer unten halten sollte, für den Fall, dass jemand auf einen fällt.

Allerdings hat man nach einem Teil des Aufbaus die Begeisterung vom Publikum immer lauter gehört, bis tosender Applaus ausgebrochen ist. Wo sich dann auch um uns herum in der Pinya die Gewissheit verbreitet hat, dass alles geklappt hat. Leider hat der Abbau nicht komplett funktioniert und einige der Castellers sind heruntergefallen.

Hier ein Video vom legendären Castell beim lokalen Fernsehsender TAC12 (für die korrekte Funktion leider Flash erforderlich):

Im Video sieht das sehr heftig aus. Als Person, auf die einer gefallen ist, kann ich sagen, dass auch das sehr gut funktioniert. Die Castellers werden durch die Konstruktion so im Fall gebremst und dann auf so viele verteilt, dass man nicht viel merkt. Es gab wohl bei den meisten nicht mal blaue Flecke.

Foto von unserem Castell
Foto von „unserem“ Castell – für Kenner: 3de9fa(c) – aus einem Tweet der Colla Jove

Wir haben dann ebenfalls noch in den kleineren Collas in der Pinya geholfen.

Anke und andere Joves helfen bei der Colla Castellera Sant Pere i Sant Pau in der Pinya
Anke und andere Joves helfen bei der Colla Castellera Sant Pere i Sant Pau in der Pinya

Nach dem erfolgreichen Auftritt ging es zurück ins Vereinshaus und wir haben die erste Sektdusche im Leben erlebt. Die Erleichterung und die Feier waren groß. Ich glaube, einige haben den gesamten Tag und die halbe Nacht durchgefeiert. Zumindest haben wir sie nachts noch mit der Auftrittskleidung durch die Gegend hüpfen sehen.

Nach dem Auftritt; Foto aus dem Twitter-Account der Colla Jove
Nach dem Auftritt; Foto aus dem Twitter-Account der Colla Jove

 

4 Gedanken zu „#sentimjunts – Teil 3: Der erste Auftritt – Hem fet historia!

  1. Ein schönes Castell habt ihr da mitgebaut. Das Video ist auch sehr sehenswert und damit meine ich nicht nur die Stürze. Gut, dass die Entwarnung gleich im Absatz drunter stand. Hätte sonst angefragt, ob Euch was passiert ist.

  2. Ihr habt Hobbys, einfach nur köstlich! Ich finde es großartig. Habt Ihr noch mehr Auftritte? Wie oft und lang trainiert ihr so?

    1. Die allgemeinen Proben sind zwei Mal in der Woche für etwa 2 Stunden. Die Castellers im „Tronc“, also im Mittelteil des Castells, und die „Canalla“, also die Kinder, die die obersten drei Stockwerke bilden, müssen noch 1-2 Stunden die Woche zusätzlich ran. Der nächste Auftritt ist am kommenden Sonntag beim zweijährlichen Wettbewerb „Concurs de Castells“ in der Arena in Tarragona, aber da sind wir leider schon wieder auf dem Rückweg nach Deutschland.

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