Meine liebe GDL, ich habe wirklich Verständnis dafür, dass ihr die Arbeitsbedingungen eurer Mitglieder verbessern wollt. Wenn ich sehe, dass mein Vater als pensionierter beamteter Lokführer netto immer noch mehr Geld bekommt als die meisten aktiven angestellten (mal ganz abgesehen davon, dass der Beamtenstatus auch sonst Vorzüge hat), ist mir das schon genug Beleg dafür, dass sich die Verhältnisse verschlechtert haben.
Als betroffener Bahnreisender habe ich mit großen Interesse eure Pressemitteilungen gelesen. Was dort steht, beinhaltet viel Schönfärberei und einiges, was ich schon fast als direkt gelogen bezeichnen würde.
„Der erste Streik soll im Schwerpunkt den Güterverkehr treffen, weniger die Fahrgäste, um die sich die DB AG offensichtlich kaum Sorgen macht. Das Zugpersonal tut dies hingegen und tritt deshalb erst zu diesen schwächeren Verkehrszeiten in den ersten Warnstreik.“ (Pressemitteilung vom 31.08.2014)
Nein, liebe GDL, ihr habt nicht „im Schwerpunkt den Güterverkehr“ bestreikt, sondern flächenmäßig alle Züge. Und 18 Uhr ist auch keine schwächere Verkehrszeit. Zumindest dort, wo ich herkomme, fahren auch um 18 Uhr noch Pendler nach Hause. Dann zu behaupten, ihr macht euch „Sorgen“ um die Fahrgäste, ist doch eine kackdreiste Lüge. Nein, ihr macht euch keine Sorgen um die Fahrgäste. Und das ist noch nicht einmal schlimm. Das ist nämlich nicht eure Aufgabe. Ihr seid verdammt noch mal nicht Pro Bahn!
Zu dem von der DB aus Anlass eures Streiks in Kraft gesetzten Notfahrplan schriebt ihr: „Damit löst die DB ein Chaos aus, das durch nichts zu rechtfertigen ist. Jeder Fachmann weiß, dass kein Notfallfahrplan 14 Stunden vor dem Streik beginnen muss.“ (Pressemitteilung vom 15.10.2014)
Nein, liebe GDL, der Notfahrplan hat kein Chaos ausgelöst. Ohne den Notfahrplan hätte der Streik noch lange nach dem Ende Auswirkungen gehabt, und das wisst ihr auch ganz genau. Man muss dazu nicht mal Fachmann sein. Soll ich es euch erklären?
Ein Beispiel: IC 2279 fährt um 6:25 Uhr in Rostock ab mit Ziel Konstanz. Um 10:06 Uhr verlässt IC 2370 Konstanz mit Ziel Hamburg. Um 14 Uhr, pünktlich zu Beginn des Streiks, treffen sich beide in Weinheim an der Bergstraße. Nach Eurem üblichen Vorgehen hättet ihr beide Züge genau dort stehen lassen. In Weinheim gibt es an der Main-Neckar-Bahn vier durchgehende Hauptgleise, die wären jetzt zur Hälfte belegt und alles was nicht bestreikt wird, zum Beispiel private Güterzüge oder auch Personenzüge, die nicht von GDL-Lokführern gefahren werden, müssten jetzt drumherum fahren. Wenn euer Streik beendet ist, stehen die Züge immer noch dort. Und wer fährt die jetzt von da wieder weg? Soll die Ablösung mit dem Zug (ha ha!) nach Weinheim fahren?
Derweil wundern sich am nächsten Morgen um 10:06 Uhr in Konstanz die Fahrgäste, wo denn ihr IC 2370 nach Hamburg bleibt. Die Antwort: Vermutlich irgendwo in der Nähe von Weinheim an der Bergstraße. Wenn nach dem Streik dann irgendwann wieder ein Zug vorbeikommt, wäre der vermutlich noch ziemlich versifft. In Weinheim an der Bergstraße ist man nämlich nicht wirklich darauf vorbereitet, einen IC zu reinigen oder das Abwasser aus den Toiletten abzupumpen.
Mit dem Notfahrplan konnte ich dagegen am Tag nach dem Streik gemütlich mit dem IC 2370 von Triberg nach Frankfurt fahren, nachdem ich meine Reispläne am Vorabend wegen eures Streiks verschieben musste.
„Hier von einem Machtkampf der GDL gegen eine andere Gewerkschaft zu sprechen, ist somit hinfällig.“ („Telegramm“ des Bezirks NRW vom 6.10.2014)
Ist es das wirklich? Warum bezeichnet ihr dann ständig die EVG als „DB Hausgewerkschaft“ und werft ihr nur einen Absatz weiter unten eine „über viele Jahre betriebene arbeitgeberfreundliche Politik“ vor, die „dazu führte, dass soziale Standards, Arbeitszeiten, Ruhezeiten und Einkommen – gerade im Bereich des Zugpersonals – verschlechtert wurden“? Ist das denn wirklich so? Waren die Abschlüsse, die die EVG erzielt hat, denn wirklich so schlecht? Sind die EVG-Mitglieder alle dumm, weil sie in einer Gewerkschaft sind, die laut eurer Aussage für die Verschlechterung der sozialen Standards steht? Es tut mir Leid, liebe GDL, aber für mich sehen eure ständigen Angriffe gegen die EVG eben doch nach Machtkampf aus.
„51 Prozent der 37 000 Beschäftigten in den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) der DB sind der GDL schon vom Arbeitgeber als Mitglieder bescheinigt worden.“ (Pressemitteilung vom 02.10.2014)
Liebe GDL, könnt ihr mir bitte sagen, wo das steht? Ich finde dazu auch nach langer Suche keine Quelle. Stattdessen habe ich nur einen Text der DB gefunden, in dem steht: „Wie viele Mitglieder die GDL oder EVG in welcher Berufsgruppe vertritt, weiß die DB nicht und will es nicht wissen.“ („Fakten und Klarstellungen zur Tarifrunde“) Das wäre mir auch neu, dass ein Arbeitgeber eine Statistik darüber führt, wer in welcher Gewerkschaft ist. Stattdessen verweist die DB einen Absatz weiter auf die Betriebsratswahlen, die aber eine ganz andere Sprache sprechen. Selbst wenn ihr wirklich 51% der Beschäftigten in den EVU stellt, müsst ihr euch die Frage gefallen lassen, wo genau denn jetzt die DB das bescheinigt. Oder ist das schlicht gelogen? Es ist mir jedenfalls nicht möglich, diese Aussage nachzuvollziehen oder Belege dafür zu finden.
„GDL vertritt Mehrheit des Zugpersonals“ (viele Fundstellen, z.B. Pressemitteilung vom 24.09.2014)
Ja was denn nun, sind es 51% der Beschäftigten in den EVU oder nur des Zugpersonals? Wer zählt überhaupt alles zum „Zugpersonal“? Liebe GDL, es drängt sich mir der Verdacht auf, dass ihr das „Zugpersonal“ so definiert, wie es euch passt. Es gibt ein Wort dafür. Es heißt „Gerrymandering„. Es ist ein Begriff aus der Politikwissenschaft, der eine Manipulation von Wahlkreisgrenzen bezeichnet mit dem Ziel, den Zuschnitt so zu ändern, dass die gewünschte Mehrheit entsteht.
„91 Prozent der mehr als 16.000 befragten GDL-Mitglieder votierten in der Urabstimmung bei der Deutschen Bahn (DB) für Streik“ (Pressemitteilung vom 02.10.2014)
Nein, liebe GDL. Nicht 91% der befragten Mitglieder, wie es in eurer Überschrift heißt. Laut eurer eigenen Aussage ein paar Absätze weiter unten haben 91% der Mitglieder, die den Wahlzettel zurückgeschickt haben, für den Streik votiert. Bei einer Wahlbeteiligung von 81% macht das nicht ganz 74% der Mitglieder. Bei den 81% habt ihr außerdem noch die nicht wahlberechtigten Beamten mitgezählt, seid also insgesamt von 20.000 Befragten ausgegangen. Wie hoch die Wahlbeteiligung der tatsächlich Stimmberechtigten war, steht da nicht.
Das ist aber eigentlich egal. Leider ist eure Streikordnung nicht öffentlich zugänglich, aber tatsächlich wurde die Formulierung dort bekannt gemacht, die den Schluss zulässt, dass eine Zustimmung von 75% derjenigen, die ihr Stimmrecht wahrgenommen haben, ausreicht. Der Vorstoß des Arbeitsrechtlers, der die notwendige Mehrheit anzweifelte (z.B. Süddeutsche vom 19.10.2014), verlief somit im Sande. Tatsache ist aber, dass ihr, wenn ihr nach den DGB-Standards verfahren würdet, nicht die notwendige Mehrheit bei der Urabstimmung erzielt hättet, denn da müssen es tatsächlich 75% der Mitglieder sein. Aber ihr seid ja nicht im DGB, sondern im Beamtenbund, von daher seid ihr wohl noch mal davongekommen.
„Wir gehen verantwortungsbewusst mit unserer Tarifmächtigkeit um und drohen nicht permanent mit Arbeitskampfmaßnahmen“ (Claus Weselsky im Editorial der GDL-Zeitschrift „Voraus“ vom 28.07.2014)
Lieber Herr Weselsky, lass mich kurz überlegen…