IFLA FAIFE – Massenüberwachung und Privatsphäre

Heute fand beim WLIC 2014 eine Podiumsdiskussion der IFLA FAIFE mit dem Titel „Mass Internet Surveillance and Privacy – how does it affect you and your library?“ statt.

v.l.n.r.: Lionel Maurel (Bibliothèque de Documentation Internationale Contemporaine und Mitglied von La Quadrature du Net), Marco Pancini (Google), Martyn Wade (Leitung, FAIFE), Louise Cook (Loughborough University) und David Greene (Electronic Frontier Foundation)
v.l.n.r.: Lionel Maurel (Bibliothèque de Documentation Internationale Contemporaine und Mitglied von La Quadrature du Net), Marco Pancini (Google), Martyn Wade (Leitung, FAIFE), Louise Cook (Loughborough University) und David Greene (Electronic Frontier Foundation)

Neben grundlegenden Argumenten und Stellungnahmen gegen die Massenüberwachung des Netzes, die allgemein als illegal erkannt wurde, wurden auch aktuelle Themen wie das kürzlich vom EuGH erkannte Recht auf Vergessen diskutiert. Der Google-Vetreter Marco Panini sieht naturgemäß zumindest Bedarf, die Implikation dessen zu diskutieren, aber auch David Greene von der EFF hält die gegenwärtige Lage für den falschen Weg. Ein Teilnehmer aus dem Publikum merkte dazu an, dass es in der Tat Menschen gibt, die zumindest verwundert darüber sind, dass Bilder von Ihnen im Internet gefunden werden, die diese aber selber hochgeladen haben.

Von Lionel Maurel wurde ein Fall angesprochen, in dem ein Google-Mail-Nutzer von Google bei den amerikanischen Behörden angezeigt wurde, weil er kinderpornographische Bilder per Mail verschickt habe. Marco Panini von Google wies an dieser Stelle darauf hin, dass Google natürlich nicht in alle Mails schaut, sondern es einen automatischen Abgleich mit bekannten illegalen Bildern gibt.

Meiner Auffassung nach ist dieses Vorgehen dennoch problematisch. Wenn einmal die Infrastruktur da ist, ein solches Scannen auf bestimmte unerwünschte Inhalte durchzuführen, ist nicht garantiert, dass sie nicht auch für andere Zwecke genutzt wird. Lionel Maurel erinnerte an die niederländische Judenkartei. In den Niederlanden wurden 1936 in einem lochkartengestützten Bevölkerungsregister auch die Religionszugehörigkeiten erfasst. Diese Daten konnten später von den Nazis genutzt werden. Man muss sich die Frage stellen, ob nicht auch heutzutage ähnliches passieren könnte und einmal vorhandene Daten bei einem Wechsel der Machtverhältnisse dem Einzelnen zum Nachteil gereichen können. Louise Cook wies darauf hin, dass der einzelne Nutzer sich dessen bewusst sein muss, was er veröffentlicht, da es gegen einen verwendet werden kann.

Auch sei eine Transparenz der Zensur, also dass der Nutzer zumindest weiß, welche Inhalte zensiert werden, zumindest besser als Zensur ohne Transparenz. Ein Teilnehmer aus dem Publikum wies aber hier zurecht darauf hin, dass dies zur Selbstzensur führt und das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung massiv beschneidet und führte als Beispiel Singapur an.

Statt über technische Lösungsmöglichkeiten nachzudenken, wie zum Beispiel die von Marco Panini immer wieder angesprochenen Verschlüsselungstechniken, sollten wir eine Gesellschaft anstreben, in der jeder seine Meinung ohne Angst vor Repression frei äußern kann. Empfehlungen wie die von Lionel Maurel auf Open Source Software und dezentralisierte Systeme zu setzen, um eine Überwachung zu erschweren, sind letztlich nur „Workarounds“, keine Lösungen.

In jedem Fall aber sollten an entscheidenen Stellen möglichst wenige Daten gespeichert werden, so auch David Greene. Man kann hier auch schon an das im deutschen Datenschutzrecht verankerte Grundprinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit denken.

Es wurden in der Runde aber nicht nur Risiken, sondern auch Chancen des Netzes diskutiert. Lionel Maurel brachte es auf den Punkt in dem er sagte, Gutenberg habe die Menschen in die Lage versetzt zu lesen, das Internet versetze sie in die Lage zu schreiben und sich als Bürger aktiv einzubringen.

Im übrigen waren von den Organisatoren auch Vertreter der NSA und des GCHQ eingeladen worden, um zu erklären, warum es überhaupt einer Massenüberwachung der Bürger bedarf. Doch die Antworten bleiben die Dienste und auch die Politik nach wie vor schuldig, eine wirkliche Bewertung der Sinnhaftigkeit findet nicht statt.

Update/Nachtrag: Jetzt hätte ich ja beinahe vergessen, auf die International Principles on the Application of Human Rights to Communications Surveillance zu verlinken. Diese dienten für Teile der Debatte als Diskussionsgrundlage.

Position:Lyon,Frankreich