Die Eisenbahn in und um Tarragona, Teil 2: Die Züge

Nachdem es im ersten Teil um die Strecke entlang des Mittelmeers von Barcelona über Tarragona nach Valencia ging, möchte ich nun noch ein wenig darüber berichten, welche Züge denn dort so fahren und wie der Fahrplan aussieht.

Die gesamte Mittelmeerstrecke ist als Verbindung der zweit- und drittgrößten Stadt Spaniens (oder vielleicht sollte man besser sagen: der beiden größten Städte der Katalanischen Länder) viel befahren. Die Auslastung variiert jedoch auf den einzelnen Teilabschnitten sehr stark: Je näher man sich an die beiden Metropolen heran bewegt, desto mehr Vorortverkehr kommt dazu, während auf dem Mittelteil zwischen L’Aldea-Amposta-Tortosa und Castelló de la Plana im Regionalverkehr nur vier Zugpaare am Tag fahren. Aber auch dort bleibt einiges an Fern- und Güterverkehr.

Der Güterverkehr in und um Tarragona ist weitgehend in der Hand der zur Bombardier TRAXX-Familie gehörenden Loks der Baureihe 253 der Güterverkehrssparte RENFE Mercancias. Neben durchgehenden Zügen spielt die Bedienung der chemischen Industrie und des Hafens in Tarragona eine große Rolle.

RENFE 253 mit Kesselwagen vor dem Amphitheater in Tarragona
RENFE Baureihe 253 mit Kesselwagen vor dem Amphitheater in Tarragona

Der Fernverkehrsfahrplan entlang der Mittelmeerküste ist mit je nach Wochentag zwischen 12 und 15 Fahrten ganz gut, von einem echten Taktfahrplan kann man aber nicht gerade sprechen. Man kann nur sagen, dass man ungefähr jede Stunde von Barcelona nach Valencia kommt, aber von Abweichungen im Minutenbereich bis zu einer komplett anderen Zuggattung zwischendurch ist alles dabei. Überhaupt sind die Gattungen der Fernverkehrszüge in Spanien auf den ersten Blick eher undurchschaubar. Die besagten 15 Fernverkehrszüge zwischen Barcelona und Valencia verteilen sich auf sage und schreibe 5 Kategorien und um die Konfusion zu komplettieren, wird in Valencia mal der Nordbahnhof und mal der Bahnhof Joaquim Sorolla angefahren.

Naja, ein paar Gesetzmäßigkeiten gibt es dann doch: Etwa alle zwei Stunden fährt ein Euromed von Barcelona Sants nach Joaquim Sorolla, der dazwischen nur in Tarragona und Castelló de la Plana hält und die Strecke in 2 Stunden und 59 Minuten schafft. Etwa die Hälfte der Züge fährt von Valencia weiter nach Alacant (Alicante). Früher wurden die Euromed mit der RENFE-Baureihe 101 gefahren. Das ist eine Breitspurversion der vom TGV abgeleiteten ersten AVE-Baureihe, die bei der RENFE als Baureihe 100 bezeichnet wird. Die Züge der Reihe 101 wurden inzwischen allesamt auf Normalspur umgebaut, in die Baureihe 100 eingegliedert und fahren jetzt als AVE hauptsächlich zwischen Madrid und Sevilla. Heute wird auf den Euromed-Verbindungen die Baureihe 130 eingesetzt, besser bekannt als Talgo 250 oder „Patito“ (kleine Ente).

RENFE Baureihe 130 (Talgo 250) in Tarragona
RENFE Baureihe 130 (Talgo 250) in Tarragona

Die Talgo 250 gelten als die ersten Serienfahrzeuge, die sich als kompletter Zug inklusive der Triebfahrzeuge während der Fahrt umspuren lassen. Die Züge haben an jedem Ende einen Triebkopf mit elektrischer Ausstattung von Bombardier, der über neu entwickelte, nach dem System Talgo umspurbare Triebdrehgestelle verfügt. Dazwischen ist ein Wagenzug vom Typ Talgo 7 eingereiht. Charakteristisch für die Talgo-Züge sind kurze Wagen, zwischen denen sich Einzelradlaufwerke befinden. Nur die Endwagen haben zusätzlich ein weiteres Einzelradfahrwerk. Der Zug ist also betrieblich nicht zu trennen. Im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen Eisenbahnfahrzeugen haben die Talgo-Wagen keine durchgehenden Radsatzwellen. Die Räder sitzen auf kurzen Stummelachsen, das ganze Fahrwerk wird von einem aufrecht stehenden, U-förmigen Rahmen zusammengehalten, an dem die Wagenkästen oben pendelnd an Luftfedern aufgehängt sind. Die Wagenkästen können sich in Kurven durch die Fliehkraft aus der Senkrechten bewegen, man kann also von einer passiven Neigetechnik sprechen. Diese dient allerdings weniger zur Geschwindigkeits-, sondern zur Komfortsteigerung. Wegen der Kombination aus Einzelrädern und der pendelnden Aufhängung zeichnen sich die Talgo-Wagen durch eine außergewöhnliche Laufruhe aus.

RENFE Baureihe 130 vor dem Amphitheater in Tarragona
RENFE Baureihe 130 vor dem Amphitheater in Tarragona

Die Euromed-Verbindungen laufen komplett auf Breitspur, es wird hier also von der Spurwechselfähigkeit keinen Gebrauch gemacht. Zugläufe, die mit Talgo 250 gefahren werden und sowohl Normal- als auch Breitspurstrecken befahren, werden von der RENFE als „Alvia“ bezeichnet. Es gibt auf dem Mittelmeerkorridor ein Zugpaar von Madrid über Valencia nach Barcelona und zurück, das zwischen Madrid und Valencia die Hochgeschwindigkeitsstrecke benutzt und vor dem Bahnhof Joaquim Sorolla durch den „Cambiador“ fährt.

RENFE Baureihe 130 in Barcelona França
RENFE Baureihe 130 in Barcelona França

Bei einigen Talgo 250-Zügen wurde hinter dem Triebkopf der Endwagen des Talgo-Zuges durch einen Generatorwagen ersetzt und die Züge so in Zweikraft-Fahrzeuge der Reihe 730 umgebaut. Ein solcher Zug erlangte durch das Eisenbahnunglück von Santiago de Compostela in diesem Jahr traurige Berühmtheit.

Doch zurück zu den Fernverbindungen zwischen Barcelona und Valencia. Ebenfalls etwa alle zwei Stunden, zeitlich versetzt zwischen den Euromed, verkehren Züge der Gattung Talgo. Zum Einsatz kommen – wenig überraschend – Wagen der Bauart Talgo, die allerdings lokbespannt von der Baureihe 252 gezogen werden. Die 252 ist eine Weiterentwicklung der deutschen Baureihe 120. Die Ähnlichkeit zum Eurosprinter-Prototyp 127 001, der ebenfalls von der 120 abstammt, ist also nicht nur äußerlich.

RENFE Baureihe 252 mit Talgo-Zug in Tarragona
RENFE Baureihe 252 mit Talgo-Zug in Tarragona

Die Züge haben mehr Zwischenhalte (allerdings nicht jeder die selben) und benötigen daher zwischen 15 und 30 Minuten länger von Barcelona nach Valencia, halten dafür aber dort in der Estació del Nord, die ein wenig näher an der Innenstadt liegt. Viele Zugpaare fahren auch weit über Barcelona und Valencia hinaus. Die interessantesten Zugläufe dürften dabei wohl die Verbindungen von Montpellier über Alicante bis Cartagena (mit Umspurung in Portbou) und die Verbindung von Barcelona França über Valencia nach Sevilla sein. Die Verbindung nach Montpellier ist allerdings von der Einstellung bedroht und wird voraussichtlich durch einen AVE auf der Schnellfahrstrecke ersetzt, sobald die gegenseitige Zulassung von TGV in Spanien und AVE in Frankreich vorliegt.

Talgo-Zug bei der Ausfahrt aus Tarragona
Talgo-Zug bei der Ausfahrt aus Tarragona

Komplettiert wird das Angebot von einzelnen Zügen der Gattung „Intercity“, die mit schnöden „Media-Distancia“-Triebwagen der Reihe 449 gefahren werden sowie einer komfortablen „Trenhotel“-Nachtverbindung mit Talgo-Schlafwagen von Barcelona nach Granada. Auf dem Abschnitt Tarragona-Barcelona wird die Mittelmeerstrecke zudem noch von einem „Estrella“-Nachtzug befahren. Dabei handelt es sich um ein Zugpaar von Madrid nach Barcelona über Zaragoza und Reus, das als Frühverbindung dient und vor dem ersten AVE Madrid bzw. Barcelona erreicht.

RENFE Baureihe 449, im Hintergrund Rodalies-Triebwagen
links: RENFE Baureihe 449, rechts im Hintergrund: Rodalies-Triebwagen

Von den Fernzügen wurden von uns ein Talgo von Tarragona nach Valencia Nord in der Preferente-Klasse und ein Alvia von Valencia Joaquim Sorolla zurück nach Tarragona in der „Turista Plus“ genutzt. Die Inneneinrichtung der lokbespannten Talgo-Züge unterscheidet sich nicht sehr von der in den Talgo 250-Triebzügen. In der Preferente sitzt man auf Stoffsitzen in 2+1-Bestuhlung. Dadurch, dass die Wagen so kurz sind, können sie trotz der passiven Neigung recht breit sein, ohne in Kurven das Lichtraumprofil zu verletzen. Das kommt natürlich dem Komfort zugute. Über Bildschirme an der Decke werden Filme gezeigt, Ohrhörer werden kostenlos ausgeteilt, es funktioniert aber auch jeder standardmäßige Kopfhörer mit dem normalen 3,5 mm-Anschluss. Die „Turista Plus“ unterscheidet sich praktisch nicht von der Preferente, man sitzt nämlich in einem Preferente-Wagen. Angeblich soll der Service ein anderer sein, aber davon war bei unserer Verbindung nichts zu merken. Ich kann hier nur spekulieren, dass es vielleicht was mit dem fehlenden Essensangebot zu tun hat, das im AVE in der Preferente inklusive ist, jedenfalls war auf der Verbindung Valencia-Tarragona im Alvia die Preferente gar nicht buchbar.

Für den Fernverkehr in Tarragona ist natürlich noch der Bahnhof Camp de Tarragona relevant. Man könnte sagen, der Bahnhof ist so etwas wie das „Limburg Süd“ Kataloniens. Er liegt etwa 10 km von der Innenstadt Tarragonas entfernt, von Reus sind es etwa 20 km. Hier hat man die Wahl zwischen schnellen AVE-Zügen der Verbindung Barcelona-Madrid, dem Avant Barcelona-Lleida und dem Alvia, mit dem man von Barcelona über Lleida Ziele wie Pamplona oder Bilbao erreicht. Die Fahrt von Camp de Tarragona nach Barcelona Sants dauert nur 35 Minuten, der Zeitvorteil wird allerdings, wenn man aus der Innenstadt von Tarragona kommt, durch die Anreise zum Bahnhof wieder aufgefressen.

Wenn man nur von Tarragona nach Barcelona fahren will, bringt einem der Fernverkehr bei allem Komfort praktisch keine Vorteile gegenüber den schnellen Regionalexpress-Zügen, die mit gerade einmal 3 (manchmal 4) Zwischenhalten nur wenige Minuten langsamer als die Euromed sind und den unschlagbaren Vorteil haben, dass sie in Barcelona nicht am Bahnhof Sants enden, sondern über den unterirdischen Halt Passeig de Gràcia direkt in der Innenstadt bis zur Estació França durchgebunden sind. Zum Einsatz kommen dreiteilige Triebwagen der Baureihen 470 und 448.

RENFE Baureihe 448 in Tarragona
RENFE Baureihe 448 in Tarragona

Beide haben nur eine Wagenklasse in 2+2-Bestuhlung, mit recht bequemen, wenn auch leider etwas eng stehenden Sitzen. In den 448 mutete der Sitzabstand etwas besser an, dafür haben die 470 breitere und bequemere Einstiege.

RENFE Baureihe 470 in Tarragona
RENFE Baureihe 470 in Tarragona

Die 80 Minuten von Barcelona França nach Tarragona lassen sich jedenfalls gut aushalten. Leider fahren die Züge auch wieder nur annähernd im Taktverkehr, zwischen Barcelona und Tarragona so ungefähr jede halbe Stunde, wenn auch mit ein paar Lücken.

Innenraum der RENFE Baureihe 470
Innenraum der RENFE Baureihe 470

Westlich von Tarragona sieht es da schon nicht mehr ganz so gut aus. Die meisten Züge fahren weiter nach Reus, das man noch mindestens stündlich oder öfter erreicht, die anderen über das vielleicht als Urlaubsort bekannte Salou weiter in Richtung Tortosa. Der eingleisige Engpass zwingt hier zu Abstrichen. In Reus teilt sich die Strecke und man kann nach Zaragoza oder Lleida fahren. Hier wird die Bedienung dann aber wirklich dünn. Einige Züge enden schon in Reus, andere irgendwo zwischen Reus und Zaragoza und nur wenige fahren die ganze Strecke durch. Allerdings ist die Gegend dort auch weitaus dünner besiedelt und wer nach Lleida und Zaragoza will, ist sowieso bedeutend schneller mit dem AVE. Schade ist nur, dass man schon ab 21:30 Uhr nicht mehr von Reus nach Tarragona kommt (in die Gegenrichtung geht es länger), immerhin beides Städte mit über 100.000 Einwohnern, die nur 15 Bahnminuten auseinander liegen. Will man später fahren, muss man auf Busse ausweichen, die die ganze Nacht hindurch unterwegs sind.

RENFE Baureihe 448 in Reus
RENFE Baureihe 448 in Reus

Dass die Express-Züge zwischen Barcelona und Tarragona so schnell sind, liegt daran, dass zwischen Sants und St. Vicenç de Calders nicht gehalten wird. Die Bedienung der Zwischenhalte ist Aufgabe der S-Bahn-ähnlichen „Rodalies“, die im dichten Abstand unterwegs sind. Es kommen verschiedene Baureihen zum Einsatz, darunter sind doppelstöckige Triebwagen mit 3+2-Bestuhlung sowie neue CAF/Alstom „Civia“-Züge. Einzelne Rodalies-Triebwagen „verirren“ sich auch mal in Regionaldiensten bis Reus.

RENFE Baureihe 470 und Güterzug bei der Ausfahrt aus Tarragona
RENFE Baureihe 470 und Güterzug bei der Ausfahrt aus Tarragona

Ähnliche Vorort-Verbindungen gibt es auch auf dem Südabschnitt des Mittelmeerkorridors zwischen Castelló de la Plana und Valencia, aber erstens bin ich mit denen nicht gefahren und zweitens ist der Bericht sowieso schon viel zu lang. Trotzdem wird es noch einen dritten Teil geben, der dann allerdings nicht mehr über die Mittelmeerstrecke handelt, sondern von der „Abschiedstour“ mit dem Elipsos Trenhotel von Barcelona nach Paris.

Ich verabschiede mich mit einem Bild einer in Tarragona mit einem Hilfszug abgestellten sechsachsigen Diesellok der Baureihe 333. Diese Loks stammen aus den 1970er Jahren und wurden zwischen 2000 und 2005 grundlegend modernisiert.

RENFE Baureihe 333 mit Hilfszug in Tarragona
RENFE Baureihe 333 mit Hilfszug in Tarragona

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