Derzeit berichtet die Tagesschau unter dem Titel „Fake Science“ über pseudowissenschaftliche Verlage, die ohne Peer Review gegen Bezahlung alles veröffentlichen. Am Montag soll dazu im Ersten die volle Reportage laufen.
Neu ist das Phänomen nicht. Schon 2005 haben drei MIT-Studenten ein computergeneriertes Fake-Paper bei einer Konferenz untergebracht und vor etwas über einem Jahr hat es die gewagte These, dass der konzeptuelle Penis Schuld am Klimawandel hat, nicht nur in eine Fachzeitschrift der Sozialwissenschaften, sondern auch in die Medien geschafft.
Im Interview mit der Tagesschau – siehe dazu weiter unten das eingebettete Video –unterscheidet die Journalistin Svea Eckert, die im Rahmen ihrer Recherchen selbst eine solche pseudo-wissenschaftliche Konferenz besucht hat, zwischen drei Gruppen von Teilnehmern. Zum einen ernsthafte Wissenschaftler, die die Pseudowissenschaftlichkeit der Konferenz oder Zeitschrift im Vorfeld nicht erkannt haben, denen schlicht das Geld aus der Tasche gezogen wurde und die danach nie wieder dort auftauchen. Zum zweiten Wissenschaftler, die unter hohem Publikationsdruck stehen und diesen Weg nutzen, um die Zahl ihrer Publikationen künstlich in die Höhe zu treiben.
Die dritte Gruppe dagegen, deren Existenz mir in der Tat so noch nicht bewusst war, ist gefährlich. Sie nutzt diese Veröffentlichungsmethode, um ihre eigenen Interessen durch scheinbar wissenschaftliche Studien zu untermauern und so zum Beispiel wertlose „Medikamente“ zu verkaufen.
Hintergrund GcMAF
Einer der Auslöser für die Recherchen war offenbar der Tod der an Krebs erkrankten Moderatorin Miriam Pielhau, die auf Basis von falschen Studien über das Mittel GcMAF darauf gesetzt hatte. Pikant ist an dieser Stelle allerdings, dass über dieses Mittel zuerst in eigentlich als seriös eingestuften Zeitschriften zum Beispiel aus dem Wiley-Verlag veröffentlicht wurde, die Studien dann aber später zurückgezogen wurden, wie ich über einen Tweet mitbekommen habe.
Die komplette Reportage anzuschauen könnte durchaus lohnen. Allerdings lenkt diese „Fake Science“-Reportage zu diesem Zeitpunkt den Blick von einem anderen, weniger öffentlich diskutiertem, aber für Wissenschaftler mindestens genau so wichtigem Schauplatz ab: den gescheiterten Verhandlungen des Projekt DEAL, einer Bestrebung zur bundesweiten Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage, mit Elsevier.
Gierige Wissenschaftsverlage
Wie unterscheidet sich denn eigentlich das Geschäftsmodell eines Verlags wie Elsevier von dem der „Fake Science“-Verlage? Erschreckenderweise ist die Antwort: Fast gar nicht. Beide kassieren für die Veröffentlichung von Papieren von den Autoren, also den Wissenschaftlern. Elsevier verlangt aber zudem noch Geld von den Wissenschaftlern, die die Artikel ihrer Kollegen hinterher lesen wollen, und zwar nicht zu knapp. Weil Elsevier an dieser Stelle die Hand ein wenig zu weit aufhält, sind die Verhandlungen erst einmal auf Eis gelegt, teilt die Hochschulrektorenkonferenz mit. Natürlich findet bei seriösen Wissenschaftsverlagen eine Begutachtung durch Kollegen, ein Peer Review, statt, dies geschieht aber ehrenamtlich durch andere Wissenschaftler. Unterm Strich zieht also ein Verlag wie Elsevier den Forschern das Geld noch schlimmer aus der Tasche als die „Fake Science“-Verlage und die öffentliche Hand zahlt dreifach: Die Forschung selbst wird meistens öffentlich gefördert, der Verlag wird für die Veröffentlichung bezahlt und die Bibliotheken der Hochschulen zahlen nochmal dafür, dass ihre Wissenschaftler die Veröffentlichungen dann auch lesen dürfen.
Dass es auch anders geht, zeigen Open-Access-Journale wie z.B. das Journal of Machine Learning Research. Dieses Magazin ist ein Beispiel, das eindrucksvoll zeigt, dass die Wissenschaftsverlage nichts, aber auch gar nichts leisten, was nicht auch von Wissenschaftlern in Eigenregie erledigt werden kann.
In der Informatik scheint man generell schon etwas weiter zu sein als in den Naturwissenschaften. Ich habe beim Schreiben meiner Doktorarbeit praktisch alle von mir gelesenen Aufsätze frei im Netz finden können, weil sowieso die allermeisten Papers in diesem Bereich von ihren Autoren zusätzlich auf ihren eigenen Homepages oder denen der Universität zugänglich sind. Und wenn nicht, würden sicher viele Autoren auf Nachfrage ihre Papers auch direkt rausrücken, schließlich wollen die ja zitiert werden. Bei den Informatikern spielt Elsevier glücklicherweise so gut wie keine Rolle und die Bedingungen des Springer-Verlags (der Wissenschaftsverlag, nicht der von der Bildzeitung), der im Informatikbereich viele Konferenzbände veröffentlicht, sind weniger restriktiv. Da hieß es damals, dass es von Seiten des Verlags wünschenswert sei, dass man mit der Veröffentlichung auf der eigenen Homepage bis ein Jahr nach Veröffentlichung bei Springer warten soll. Ich dachte mir dann immer, dass es von meiner Seite wünschenswert ist, das nicht zu tun. Das war dann auch ok.
Wenn die Verhandler des Projekts DEAL hart bleiben, kommt vielleicht auch Elsevier irgendwann zu der Erkenntnis, dass die Wissenschaftler sehr wohl ohne die Verlage leben können, aber die Verlage nicht ohne die Wissenschaftler. Immer mehr Forscher lehnen es inzwischen ab, für Elsevier ehrenamtlich Peer Review zu betreiben oder bei Elsevier zu veröffentlichen. Und wer von dort was lesen muss, der wird sich jetzt, da den deutschen Universitätsbibliotheken der Zugang gesperrt wurde (bis vor kurzem hatte den Elsevier in seiner unendlichen Güte auch nach Auslaufen der alten Lizenz noch zur Verfügung gestellt), vielleicht das „umstrittene“ Sci-Hub für sich entdecken…
Ein Gedanke zu „Fake Science und Verlage“
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