Die Eisenbahn in und um Tarragona, Teil 1: Die Strecken

Natürlich musste während unseres Katalonien-Aufenthalts auch etwa Zeit gefunden werden, um mich meiner Bahn-Leidenschaft zu widmen. Grund genug, ein wenig über die Eisenbahn in und um Tarragona zu berichten.

Der Ausgangspunkt der Verbindung entlang der Mittelmeerküste von Barcelona nach València, an der auch Tarragona liegt, ist der Bahnhof Barcelona Sants. Dieser unterirdische Bahnhof ist so etwas wie der Hauptbahnhof, praktisch alle Fernverkehrszüge halten hier. Unpraktischerweise liegt der Bahnhof Sants nicht wirklich zentrumsnah. Von Sants aus gehen deshalb drei Tunnelstrecken durchs Zentrum.

Bei der neuesten handelt es sich um die normalspurige Schnellstrecke nach Frankreich. Eine Breitspurstrecke verläuft über den in zentraler Innenstadtnähe gelegenen Halt Passeig de Gràcia nach Nordosten mit einer Verbindungskurve zum ehemals wichtigsten Bahnhof der Stadt, der Estació de França. In unmittelbarer Nähe des Haltes Passeig de Gràcia befindet sich übrigens die von Antoni Gaudí entworfene Casa Batllo.

Casa Batllo
Casa Batllo in Barcelona im Januar 2013

Eine weitere Strecke nach Nordosten verläuft über die ebenfalls zentralen, innerstädtischen und unterirdischen Halte Catalunya und Arc de Triomf. An allen Halten außer Estació de França kann in die Metro umgestiegen werden.

Estaciò Barcelona França
Estació Barcelona França

Verlässt man den Bahnhof Sants in südwestlicher Richtung nach Tarragona, geht das entweder über die normalspurige Hochgeschwindigkeitsstrecke, die im Landesinneren verläuft, über die breitspurige Strecke am Mittelmeer entlang oder über eine weitere Breitspurstrecke, die in einem Bogen zunächst mehr oder weniger parallel zur Neubaustrecke verläuft, dann aber wieder zum Meer hin umschwenkt und in Sant Vicenç de Calders wieder auf die Mittelmeerstrecke trifft.

Vereinfachte Darstellung der Bahnstrecken in und um Tarragona
Vereinfachte Darstellung der Bahnstrecken in und um Tarragona

Die Strecke am Mittelmeer ist vermutlich der landschaftlich schönste Teil der ganzen Verbindung von Barcelona nach València. Stellenweise ist die Küste recht steil, die Bahn verläuft dann direkt am Wasser, abschnittsweise auch in zum Meer hin offenen Galerien. Kleine Landvorsprünge werden mit Tunnels durchschnitten. Wo die Küste weniger steil ist, verläuft die Bahn oft direkt hinter dem Strand.

Triebzug der RENFE-Baureihe 130 bei der Ausfahrt aus Tarragona
Triebzug der RENFE-Baureihe 130 bei der Ausfahrt aus Tarragona

In Tarragona gibt es zwei Bahnhöfe, zum einen den direkt am Mittelmeer und in Innenstadtnähe gelegene Bahnhof Tarragona.

Bahnhof Tarragona
Bahnhof Tarragona

Hier zweigt eine zweigleisige Strecke ins Landesinnere nach Reus ab, außerdem befinden sich etwas außerhalb der Stadt ausgedehnte Anlagen der chemischen Industrie, ein Hafen und ein angemessen großer Güterbahnhof.

Güterzug bei der Ausfahrt aus Tarragona Richtung Barcelona
Güterzug bei der Ausfahrt aus Tarragona in Richtung Barcelona

An der Hochgeschwindigkeitsstrecke, etwa 10 km von der Küste entfernt, liegt der AVE-Bahnhof Camp de Tarragona.

Bahnhof Camp de Tarragona
Bahnhof Camp de Tarragona im Januar 2013

Dieser ist ziemlich unspektakulär, aber immerhin gibt es eine Lounge für Fahrgäste der Preferente- und Club-Klasse und eben eine schnelle Anbindung nach Madrid. Bei einem früheren Besuch im Januar war nicht besonders viel los.

Lounge im Bahnhof Camp de Tarragona im Januar 2013
Lounge im Bahnhof Camp de Tarragona im Januar 2013

Die Mittelmeerstrecke von Barcelona nach Valencia ist als Verbindung der zweit- und drittgrößten Stadt Spaniens recht wichtig für den Fern- und Güterverkehr. Bis auf ein kurzes Stück südwestlich von Tarragona ist die Strecke durchgehend zweigleisig. Trotz der Bedeutung ist bisher noch keine vollständig normalspurige Linie in Sicht, da zum Ärgernis der Katalanen sternförmig auf Madrid ausgerichtete Linien bevorzugt behandelt werden. Man kann trefflich darüber spekulieren, ob das wirklich den Verkehrsbedürfnissen oder doch eher den politischen Interessen der Zentralregierung entspricht. Immerhin ist die Linie zum Teil für Geschwindigkeiten bis 220 km/h ausgebaut und bei Tortosa wurde schon vor einiger Zeit die alte Ebro-Querung durch eine neue mit direkterer Linienführung ersetzt. Tortosa selbst wurde dadurch allerdings zum Kopfbahnhof und ist von der durchgehenden Hauptstrecke nur noch über eine Stichstrecke angebunden. Nördlich von València gibt es immerhin Planungen für eine parallel zur Bestandsstrecke verlaufende Normalspurlinie. Nur dort, wo der Leidensdruck durch den eingleisigen Engpass bei Tarragona am größten ist, ist eine Umgehung bereits im Bau.

Der zentrale Bahnhof in València ist der äußerst schmucke Kopfbahnhof Estaciò del Nord.

València Estaciò del Nord
València Estació del Nord (Panorama)

Trotz des Namens handelt es sich nicht wirklich um einen „Nordbahnhof“. Hier halten zwar durchaus die Züge von und nach Norden, aber die aus allen anderen Richtungen auch. Er liegt auch nicht im Norden, sondern sehr zentral, aber gerade südlich der Altstadt. Direkt neben dem Bahnhof befindet sich die Stierkampfarena, in der zur Zeit unseres Besuchs allerdings das Oktoberfest stattfindet.

Plaza de Toros in València
Plaza de Toros in València

Für den Hochgeschwindigkeitsverkehr wurde ein Stückchen daneben der Kopfbahnhof Joaquim Sorolla, im absoluten Kontrast ein schlichter, weil eigentlich nur als Provisorium gedachter Zweckbau, mit einem normal- und einem breitspurigen Teil eröffnet. Hier halten ausschließlich Fernverkehrszüge. Der normalspurige Teil ist der Endpunkt der AVE-Strecke aus Madrid. Über einen „Cambiador“, also eine Spurwechselanlage System Talgo, kann man vor dem Bahnhof von der Normalspurstrecke in den breitspurigen Teil fahren. Die breitspurige Ausfahrt läuft direkt mit der Strecke aus dem Nordbahnhof zusammen. Zwischen Nord und Joaquim Sorolla gibt es aber keine Schienenverbindung, ein Zug hält also entweder in dem einen oder dem anderen Bahnhof. Kommt man in Joaquim Sorolla an und möchte zur Estaciò del Nord, um zum Beispiel mit den Vorortzügen (Cercanías bzw. Rodalies) weiterzufahren oder in die Stadt zu kommen, kann man entweder einen Shuttlebus benutzen oder die 800m Weg eben laufen.

Schalterhalle im Bahnhof Valencia Nord
Schalterhalle im Bahnhof Valencia Nord

Langfristig ist geplant, die beiden Bahnhöfe durch einen neuen, tiefergelegten Hauptbahnhof „Parc Central“ zu ersetzen mit der Option, diesen über eine Tunnelstrecke durch das Stadtzentrum auch direkt nach Norden anzubinden. Da sowohl die valencianische Gemeinschaft im besonderen als auch der spanische Staat allgemein bekanntermaßen derzeit etwas knapp bei Kasse sind, wird der Bahnhof Joaquim Sorolla aber vermutlich noch eine ganze Weile Bestand haben.

Bahnhof Valencia Nord bei Nacht
Bahnhof Valencia Nord bei Nacht

Bis dahin lohnt es sich, noch ein wenig im Inneren der Estaciò del Nord zu verweilen und den kunstvoll gestalteten Wartesaal zu betrachten.

Alter Wartesaal im Bahnhof Valencia Nord
Alter Wartesaal im Bahnhof Valencia Nord

Im zweiten Teil wird es um den Zugbetrieb und den Fahrzeugeinsatz bei den durch Tarragona fahrenden Zügen gehen.