Wir basteln uns einen Buchscanner

Wer längere Zeit einen Ebookreader in Benutzung hat, lernt die Leichtigkeit, die Hintergrundbeleuchtung und die Masse an Text, die man in ca. 200g herum tragen kann, schnell zu schätzen. Die Vorstellung, dann trotzdem noch mehrere Notizen, Artikel aus gedruckten Büchern etc. „analog“ mit sich herum schleppen zu müssen wirkt auf einem dann immer anachronistischer.

Inspiriert von der sonderbaren Buchhandlung des Mr. Penumbra ist bei uns die Idee gewachsen, doch mal ein paar Texte selber zu scannen. Es gibt eine Reihe von Anleitungen im Internet, Buchscanner selber zu basteln. Diese reichen von einfachen Ständern für die Kameras bis zu elaborierten Scanrobotern, die die Seiten von Büchern selbstständig umblättern.

Bücherregal in dem die Konturen eines Gesichts frei sind.
Cover des Buches: Die Sonderbare Buchhandlung des Mr Penumbra

Kamera und Stativ

Vor allem anderen stand jedoch zunächst die Prüfung, ob man eine ausgefeilte Halterung überhaupt braucht. Doch ein Test mit Spiegelreflexkamera, Stativ und Buchständer hat erwiesen, dass dieses Setup nur mäßig tauglich ist.

Abfotografieren mit Stativ
Abfotografieren mit Stativ

Smartphone-Halterung im Selbstbau

Passend zum bevorstehenden Bibliothekskongress haben wir uns dann an einem Selbstbauprojekt eines iPhone-Dokumentenscanners versucht und dieses auf Praxistauglichkeit getestet. Dabei wollen wir anhand einer Anleitung bei Ponoko diesen Scanner aus Karton nachbauen. Anstatt dort die „laser cut parts“ zu bestellen, haben wir uns aber für Selbstbau aus 3mm starkem Karton aus dem örtlichen Bastelladen entschieden.

Zur Vorbereitung sollte man sich zunächst ein bis zwei scharfe Teppichmesser bzw. Cutter, eine stabile Unterlage (damit man nicht Tisch oder Fußboden einritzt) sowie Kleber und Klebestreifen besorgen.

Bastelutensilien
Bastelutensilien

Wenn man die von Ponoko heruntergeladenen Schablonen nicht mit dem Lineal auf den Karton übetragen will, sollte man die im EPS-Format vorliegenden Dateien in Originalgröße (!) ausdrucken. Die gehen über mehrere A4-Seiten, der aktuelle Adobe Reader kann sowas mit der Posterfunktion drucken. Anschließend kann man die ausgedruckten Blätter auf den Karton kleben, wobei man den Kleber passenderweise an den Stellen anbringen sollte, die nachher Verschnitt sind. Dann kann man einfach durch das Papier durch schneiden, am besten legt man aber noch ein Lineal an.

iPhone-Scanner aus Karton
iPhone-Scanner aus Karton

Das Ergebnis ist auf dem Bild zu sehen. Zunächst mal sieht das ja ganz gut aus und in einem ersten Funktionstest hat sich die Halterung als durchaus tauglich für Vorlagen in der Größe A4 erwiesen. Leider ist die Gesamtkonstruktion ein wenig wackelig geraten, was aber vielleicht auch nur an unsauber gearbeiteten Kanten liegt. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Teile als „laser cut“ zu bestellen? Möglicherweise könnte man was verbessern, indem man das Ergebnis am Ende klebt, dann ist allerdings ein großer Vorteil dieses Scanners dahin, nämlich dass man die Teile wunderbar flach zusammengepackt überall hin mitnehmen kann. Auch ein Bau aus Sperrholz erscheint nicht unmöglich, aber das auszuprobieren sei dem geneigten Leser überlassen.

Passende Apps

Ein großer Vorteil gegenüber der Lösung mit Kamera und Stativ ist, dass es für das iPhone praktische Scan-Apps gibt, die zumindest einen Teil der Nachbearbeitung direkt erledigen und die vielfach sogar in kostenlosen Versionen bereitstehen.

Screenshot DocScan
Screenshot DocScan

Für einen ersten Test habe ich mich für die App DocScan entschieden, da sie im Gegensatz zu einigen anderen Apps auch für gewellte Vorlagen wie aufgeschlagene Bücher eignet, sprich ein zumindest rudimentäres sogenanntes De-Warping mitbringt.

Screenshot DocScan
Screenshot DocScan

Weitere Möglichkeiten zur Nachbearbeitung, die in der App direkt integriert sind, sind z.B. eine Schwarz-Weiß-Konvertierung, Kontrasteinstellung und – ganz wichtig – das direkte Zusammenfügen von mehrseitigen Scans zu einer PDF-Datei. Zur Übertragung auf den Rechner bieten die meisten Apps gleich mehrere Möglichkeiten wie Filetransfer über iTunes oder direktes Hochladen in die Cloud zu Dropbox, Google oder über WebDAV an. Hier unterscheiden sich bei einigen Apps auch die kostenlosen von den kostenpflichtigen „Pro“-Versionen. Auch Faxversand (gegen Bezahlung) wird vielfach geboten.

Die beqväme Lösung

Schlussendlich hat sich dann noch eine zufällige Entdeckung ergeben. Die Trittstufe „Beqväm“ aus dem Hause Ikea hat nämlich oben eine ovale Öffnung, auf die man ganz wunderbar ein iPhone auflegen kann. Die Vorlage findet dann auf dem Fußboden Platz und darf dann auch gerne größer als A4 sein. Außerdem kann man noch eine Lampe anklemmen, denn bei allen Scans ist eine gleichmäßige und helle Ausleuchtung wichtig. Vorlagen auf Hochglanzpapier sind übrigens nicht unproblematisch, wie man auf dem Screenshot oben auch sehen kann.

Beqväm
Beqväm

Fazit

Von den drei getesteten Varianten hat sich tatsächlich die improvisierte Lösung mit der Trittstufe als die brauchbarste erwiesen, allerdings mit dem Nachteil, dass sie im Gegensatz zu der selbstgebauten Smartphone-Halterung nicht gut transportabel ist. Gegenüber der Lösung mit Kamera und Stativ hat das Smartphone den Vorteil, dass eine Verarbeitung der Aufnahmen direkt erfolgt und man ein fertiges PDF bekommt, während die große Kamera zwar ein gutes Bild liefert, man die Einzelaufnahmen aber aufwändig nachbearbeiten muss.

Für Vorlagen bis A4 werde ich aber auch in Zukunft eher den klassischen Flachbett-/Einzugsscanner benutzen, der ist doch am besten. Für den Einsatz unterwegs kann man die Smartphone-Halterung aber durchaus in betracht ziehen.

Anderes

Nicht von uns ausprobiert, aber vielleicht auch interessant, wären noch dieser Smartphone-Scanner für 35mm-Film und diese Smartphone-Scanhalterung mit eingebauter Beleuchtung.

Eine weitere Herausforderung ist das Lesen von alten Microfiches, die zwar fast unzerstörbar sind, was aber leider nicht auf die Lesegeräte zutrifft. Diese gibt es immer weniger und wenn werden sie immer teurer. Eventuell gibt es dafür auch Selbstbauanleitungen.

5 Gedanken zu „Wir basteln uns einen Buchscanner

  1. stellt sich die Frage, warum Ihr nicht auf die Erfahrungen unserer bekanntesten Selbstscannerin Claudia G. zurückgegriffen habt?

    1. Hallo Uta,

      ich meine mich zu erinnen, dass Claudia G., als sie mir das das letzte Mal vom Scannen erzählt hat, was jetzt allerdings mindestens 3,5 Jahre her ist, dass sie bei den weniger wertvollen Büchern die Buchrücken aufgeschnitten und die Seiten in einen Einzugsscanner gelegt hat. Aber vielleicht sollten wir uns mal wieder mit ihr unterhalten!

  2. Hallo Andreas,

    erst mal danke für diesen extrem nützlichen Post. Werde ich bei Zeiten auch mal ausprobieren. Eine Frage habe ich jedoch in diesem Zusammenhang, kannst du zufällig eine freie OCR Software empfehlen? Ich habe einige längere Textstellen für meine Thesis welche ich nicht abtippen möchte, aber nur in Papierform erhältlich sind…

    Danke und Gruß
    Carsten

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